Schmerzmittel, Antibiotika, Blutdrucksenker oder Psychopharmaka: Rückstände von Medikamenten gelangen meist über das häusliche Abwasser in die Umwelt. Doch viele Verbraucher*innen wissen gar nicht, dass sie durch die Einnahme und falsche Entsorgung von Medikamenten zu diesem Umweltproblem beitragen. Um die Wissenslücken zu schließen, sind Ärztinnen und Apotheker gefragt, denn ihnen kommt eine Schlüsselrolle in der Kommunikation von Umweltrisiken und Arzneimitteln zu. Das ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung hat untersucht, wie die beiden Berufsgruppen für das wichtige Umwelt- und Verbraucherthema sensibilisiert und geschult werden können.
Vielen Verbrauchern ist dieser Nebeneffekt beim Gebrauch von Medikamenten nicht bewusst: Der Wirkstoff wird nicht vollständig vom Körper abgebaut und über den Urin und den Stuhl wieder ausgeschieden. So gelangen über das Abwasser große Mengen an Arzneimittelwirkstoffen in die Kläranlagen. Trotz hohem technischen Aufwand können die Anlagen die Vielzahl an chemischen Verbindungen nicht vollständig abbauen. Über den Ablauf der Kläranlagen in die Flüsse und Seen finden die Medikamentenrückstände ihren Weg dann in die Umwelt, in die Gewässer und ins Grundwasser. Derselbe Effekt entsteht bei falscher Entsorgung von Medikamenten über die Toilette.
Wie groß die Wissenslücken gerade bei der sachgemäßen Entsorgung sind, zeigte eine Befragung des ISOE aus dem Jahr 2014. „Damals gaben 47 Prozent der Befragten an, flüssige Medikamentenreste mitunter über die Spüle oder die Toilette, also falsch zu entsorgen“, berichtet die ISOE-Forscherin Martina Winker. „Es war offensichtlich, dass Verbraucher*innen besser über die Einnahme und richtige Entsorgung informiert werden müssen, um mögliche Umweltrisiken zu vermeiden,“ so Winker. „Die Frage war: von wem?“
Umweltbewusster Umgang mit Arzneimitteln im Medizin- und Pharmaziestudium verankern
Das Forschungsteam des ISOE hat sich auf Berufsgruppen innerhalb der Medizin und der Pharmazie konzentriert, weil sie eine Schlüsselrolle in der Kommunikation von Arzneimitteln und Umweltrisiken einnehmen. „Wir setzen mit den Apothekerinnen und Ärzten da an, wo das Problembewusstsein und das Wissen über Umweltwirkungen und Medikamente zentral sein muss: bei den Vertrauenspersonen, an die sich Verbraucher wenden, wenn es um die Verschreibung von Medikamenten geht“, erläutert Winker.
Es gibt noch viel Spielraum, um Wissenslücken zu schließen
In den Fortbildungsveranstaltungen, die das ISOE gemeinsam mit der Landesärztekammer und der Landesapothekenkammer Baden-Württemberg angeboten hat, hatten sich auch bei diesen für den Umgang mit Medikamenten zentralen Berufsgruppen Informationsdefizite gezeigt. „Nicht allen Medizinerinnen und Medizinern war zum Beispiel klar, dass die Entsorgung von Arzneimittelresten über den Restmüll erfolgen muss“, berichtet Winker. „Zudem fanden wir es bemerkenswert, dass das Thema Arzneimittelrückstände in der Umwelt trotz seiner Bedeutung auch im Medizin- und Pharmaziestudium nicht verankert ist. Hier ist noch viel Spielraum, um Wissenslücken zu schließen.“
Handbuch zur Wissensvermittlung zum Thema Arzneimittelrückstände im Wasser
Helfen kann dabei ein Handbuch, das unter Federführung der ISOE-Forscherin im Auftrag des Umweltbundesamtes gerade erschienen ist. Es gibt Empfehlungen für Multiplikatoren wie Bundes- und Landesapothekerkammern, Stiftungen, Akademien, Hochschulen und Universitäten und zeigt, wie didaktische Konzepte für Aus- und Fortbildungsveranstaltungen in der Pharmazie konkret aussehen können. Auch zu Lehrformaten, die sich gezielt an Medizinerinnen und Mediziner wenden, damit diese ihre Patienten sachgemäß über den umweltbewussten Umgang mit Medikamenten informieren können, liegen Konzepte, Formate und Publikationen vor.
Fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Apotheker
Mit ihren Empfehlungen zur Verankerung von Wissen über Arzneimittelrückstände im Wasser orientieren sich die Forscher des ISOE am Vorsorgeprinzip. Während die negativen Effekte von Medikamentenrückständen auf im Wasser lebende Organismen inzwischen bekannt sind, überwiegt noch Unwissen, wenn es um die Langzeitfolgen von chronischen Einträgen auch niedriger Konzentrationen auf Mensch und Umwelt geht. „Ärztinnen und Apotheker, die umweltrelevante Aspekte von Arzneimitteln wie die sachgemäße Entsorgung in der Patientenberatung zur Sprache bringen, wenn möglich auch kleinere Packungsgrößen empfehlen oder auch zu nichtmedikamentösen Behandlungsformen beraten, tragen vorsorgend dazu bei, dass die Risiken für Mensch und Umwelt minimiert werden können,“ ist sich Martina Winker sicher.