Der Windenergiesektor ist zwar noch immer eine relativ junge Branche, aber dennoch kommen viele Windenergieanlagen langsam in die Jahre. Sie können mit modernen Anlagen nicht mehr mithalten, die das Windangebot deutlich besser ausnutzen, weniger lärmbelastend sind und sich besser ins elektrische Netz integrieren. Ab 2021 endet die EEG-Vergütung für mehrere tausend ältere Windenergieanlagen. Was passiert mit den alten Anlagen? Können sie durch einen Umbau – ein so genanntes Repowering oder Retrofit – weiterbetrieben werden oder ist es technisch beziehungsweise betriebswirtschaftlich am sinnvollsten, die Anlagen stillzulegen?
Mit diesen Fragen befasst sich ein Forschungsvorhaben der Leibniz Universität Hannover (LUH), das mit 1,4 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird. Das Verbundprojekt TransWind wird vom Institut für Statik und Dynamik (ISD) der LUH koordiniert. Projektpartner sind das Institut für Wirtschaftsinformatik (IWI), das Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH), das „institute for climate neutral mobility & production“ (icnmp) sowie die Firmen Deutsche WindGuard GmbH, Deutsche WindGuard Offshore GmbH, WIV GmbH und Nefino GmbH.
Ziel von TransWind ist die Entwicklung optimaler Nachnutzungsstrategien für ältere Windenergieanlagen. Diese sollen sowohl technische als auch betriebswirtschaftliche Aspekte aus verschiedenen Perspektiven berücksichtigen.
Die Mikroebene befasst sich mit einzelnen Anlagen oder Windparks, die Makroebene bezieht sich auf regionale und überregionale Windenergieflotten. Auf technischer Seite ist besonders eine schnelle und zuverlässige Lebensdauervorhersage erforderlich. Dafür soll auf der Dissertation von Dr.-Ing. Clemens Hübler aufgebaut werden, die im Oktober 2020 von der „European Academy of Wind Energy“ (EAWE) als beste Doktorarbeit des vergangenen Jahres im Bereich der Windenergie ausgezeichnet wurde. Clemens Hübler leitet die Gruppe „Unschärfe“ am ISD, von der das Projekt TransWind bearbeitet wird. Auf betriebswirtschaftlicher Seite geht es vor allem um die Entwicklung von Modellen zur Wahl und Ausgestaltung optimaler Nachnutzungsstrategien.
Für einige Altanlagen besteht eine Möglichkeit zur Weiternutzung durch Umbau – in so genannten Repowering-Projekten. Die alten Anlagen werden zum Teil auf Höhen von bis zu 230 Meter aufgestockt beziehungsweise mit leistungsfähigeren Maschinen ausgestattet. Diese Projekte stoßen aber durch Höhenbeschränkungen der Kommunen und andere baurechtliche Aspekte, etwa veränderte Abstandsregeln, oft an ihre Grenzen. Das Ersetzen von Altanlagen durch modernere und leistungsfähigere Anlagentypen kann bei einer Halbierung der Anlagenzahl zu einer gleichzeitigen Vervielfachung der Leistung führen.