Weihnachtliche Plastikjagd im Nordatlantik

Nach Quarantäne und negativen COVID-19-Tests konnte das Team der Expedition SO279 gestern in Emden an Bord des Forschungsschiffs SONNE gehen. Isabelle Schulz JPI Oceans

Dass jedes Jahr Millionen Tonnen Plastikmüll in den Ozean und seine Randmeere gelangen, ist bekannt. Wo der Müll dort bleibt, dagegen nicht. Eine Expedition des deutschen Forschungsschiffs SONNE soll jetzt dazu beitragen, mehr über den Weg und die Auswirkungen des Plastiks im Meer zu erfahren. Das Team an Bord berichtet im Blog des JPI-Oceans-Forschungsprojekts HOTMIC von seinen Arbeiten – und von ungewöhnlichen Festtagen auf See.

Foto: Geomar

Der deutsche Bundestag hat Ende November eine Änderung des Verpackungsgesetzes beschlossen, die leichte Plastiktüten verbietet. Ähnliche Initiativen, die die Menge des Plastikmülls verringern sollen, gibt es mittlerweile weltweit. Dennoch landen nach wie vor jedes Jahr mehrere Millionen Tonnen Kunststoffabfälle über Flüsse und Küsten im Ozean. Wohin sie dort transportiert werden, ist weitgehend ungeklärt. „Weniger als zehn Prozent des in die Meere gelangenden Plastiks kann derzeit nachgewiesen werden“, sagt Dr. Aaron Beck vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Der Wissenschaftler leitet eine Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff SONNE, die in den kommenden viereinhalb Wochen Daten und Proben im zentralen Atlantik sammeln wird, von denen sich das interdisziplinäre Team an Bord neue Erkenntnisse über den Verbleib des Plastiks im Ozean und seine Auswirkungen dort verspricht.

Die Ausfahrt ist Teil einer multidisziplinären Initiative, die den Ursprung, den Transport und das Schicksal von Plastikmüll von den Flussmündungen bis zu den ozeanischen Müllwirbeln untersucht.

„Wir werden insgesamt acht Stationen anfahren. Zwei davon befinden sich westlich von Frankreich und Spanien und decken damit den vermuteten Weg des Plastiks vom Kontinent zu den großen Müllwirbeln ab. Die restlichen sechs befinden sich im zentralen Atlantik südlich der Azoren. Hier haben bereits frühere Studien eine erhöhte Konzentration von Plastikteilen im Meerwasser nachweisen können“, erklärt Dr. Beck.

An jeder Station wird das Team Wasserproben von der Oberfläche bis knapp über dem Meeresboden nehmen und mit Spezialnetzen Plastikpartikel aus der gesamten Wassersäule sammeln. Außerdem wird es Sedimentkerne aus dem Meeresboden ziehen, um sie auf Plastikteile hin zu untersuchen.

Mit dem Katamaran-Trawl können Plastikpartikel für spätere Analysen von der Wasseroberfläche gesammelt werden. Foto: Mark Lenz/GEOMAR

Mit geschleppten Kameras werden die Wissenschaftler*innen den Meeresboden zusätzlich auf größere Plastikteile hin überprüfen. „Außerdem ist für uns wichtig zu sehen, welche Tiere und Planktonorganismen dort leben und möglicherweise mit dem Plastik interagieren“, erklärt Dr. Beck. Studien deuten darauf hin, dass die Biologie eine wichtige Rolle beim Transport des Plastiks von der Oberfläche Richtung Tiefsee spielen könnte.

Die Ergebnisse der Expedition fließen unter anderem in das Projekt HOTMIC (HOrizontal and vertical oceanic distribution, Transport, and impact of MICroplastics) ein, das im Rahmen der europäischen Programminitiative „Gesunde und Produktive Meere und Ozeane“ (JPI Oceans) gefördert wird. Die Expedition folgt einer ersten wissenschaftlichen Ausfahrt mit dem Forschungsschiff POSEIDON im Sommer 2019, während der der westliche Teil des atlantischen Müll-Wirbels beprobt wurde. Eine zweite HOTMIC-Expedition im März 2020 mit dem Forschungsschiff ALKOR untersuchte die Plastikbelastung entlang der europäischen Westküste vom Mittelmeer bis in die Nordsee.

Spezialnetze wie dieses Bongo-Netz dienen dazu, Mikroplastik in der Wassersäule nachzuweisen. Foto: Mark Lenz/GEOMAR

Zusätzlich liefert die aktuelle Expedition auch Daten und Proben für das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt PLASTISEA (Harvesting the marine Plastisphere for novel cleaning concepts), das sich mit potenziellen mikrobiologischen Abbauprozessen von Kunststoffen im Meer beschäftigt.

Die Expedition wurde sehr kurzfristig unter den aktuell geltenden Corona-Bestimmungen genehmigt und organisiert. Das Team befand sich seit Ende vergangener Woche in Quarantäne, bevor es gestern an Bord durfte. „Als wir im März für die zweite HOTMIC-Expedition auf See waren, ging Westeuropa gerade in den ersten Corona-Lockdown“, erinnert sich Dr. Beck, der auch damals Fahrtleiter war, „vielleicht ist es dieses Mal umgekehrt und die Lage bessert sich, während wir auf See sind. Schön wäre es jedenfalls.“