Der Österreichische Biodiversitätsrat präsentierte das „Barometer Biodiversitätspolitik in Österreich“: Experten analysierten die politischen Pläne, um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Zwar enthält das Regierungsprogramm erstmals das Kapitel „Artenvielfalt erhalten – Natur schützen“, dennoch zeigt das Barometer nur vereinzeltes Aufkeimen von Grün: Vorhaben wie die ökosoziale Steuerreform oder der Biodiversitätsfonds weisen reichen in dieser Form noch nicht. „Bei Themen wie dem Flächenverbrauch oder der Industrialisierung der Landwirtschaft kann von einer Trendumkehr keine Rede sein“, erklärt Christian Sturmbauer aus dem Leitungsteam des Biodiversitätsrates.
Auch wenn derzeit COVID-19 im Vordergrund stehen muss, hat die Krise des Biodiversitätsverlustes nicht an Dynamik verloren: Die Vielfalt der Arten und Ökosysteme nimmt weltweit und insbesondere auch in Österreich weiterhin drastisch ab, eine Trendumkehr ist noch in weiter Ferne. Vor diesem Hintergrund hat der Österreichische Biodiversitätsrat die Pläne der Regierung daraufhin untersucht, ob sie das Artensterben und den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten können.
Das Ergebnis: „Die bisherigen Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus“, fasst es Ass.-Prof. Mag. Dr. Alice Vadrot, Politikwissenschafterin an der Universität Wien und Mitglied des Leitungsteams des Biodiversitätsrates, zusammen. Mit dem „Barometer Biodiversitätspolitik in Österreich“, das am 4. Dezember 2020 im Rahmen des jährlichen Forums des Netzwerks Biodiversität präsentiert wurde, wird dieses Fazit klar sichtbar: Viel Rot, wenig Orange und nur vereinzeltes Grün. Für Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerald Steiner, Dekan der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung der Donau-Universität Krems sowie Mitglied im Biodiversitätsrat, ist Biodiversität „mehr als nur eine Messgröße für die Vielfalt des Lebens. Sie ist wahrscheinlich der wesentlichste ‚Spiegel’ für das Zusammenwirken zwischen Natur und Mensch sowie für den Gesundheitszustand unseres Planeten. Damit wird uns auch vor Augen gehalten, dass es nicht nur um die Leistung der Natur für den Menschen geht, sondern auch um eine Reflexion des Menschseins und damit der Anerkennung des Wertes der Natur für sich selbst in ihrer ganzheitlichen Schönheit.“
Anstrengungen vervielfachen
„Zwar weisen einzelne Maßnahmen der Regierung in die richtige Richtung – beispielsweise die geplante ökosoziale Steuerreform oder der neue Biodiversitätsfonds –“, erklärt Ass.-Prof. Mag. Dr. Franz Essl aus dem Leitungsteams des Biodiversitätsrates, „doch die Anstrengungen müssen sich hier noch vervielfachen!“ So ist der Biodiversitätsfonds bisher nur fünf Millionen Euro schwer; aus Sicht des Biodiversitätsrates ist jedoch mindestens eine Milliarde Euro jährlich nötig, um das Funktionieren der Ökosysteme zu sichern und den Verlust an Biodiversität zu bremsen, „und auch das ist auf Basis einiger Studien sehr knapp bemessen“, erklärt der Ökologe der Universität Wien.
Dennoch gehe es bei diesen Punkten zumindest in die richtige Richtung: „Bei anderen Themen – insbesondere beim Flächenverbrauch oder der ungebrochenen Bevorzugung einer möglichst großstrukturierten und förderungsorientierten Landwirtschaft – kann aber von einer Trendumkehr keine Rede sein“, betont Univ.-Prof. Dr. Christian Sturmbauer von der Universität Graz. Noch immer werden in Österreich täglich 13 Hektar Fläche versiegelt – „und eine national koordinierte Raumplanung ist nicht in Sicht“, so Sturmbauer. Auch im Bereich Agrarpolitik tue sich insgesamt noch viel zu wenig, obwohl das Ziel von zehn Prozent Biodiversitätsförderungsflächen in die nationale Biodiversitätsstrategie wahrscheinlich aufgenommen werden wird.