Wie jede andere Pflanze braucht Arabidopsis thaliana, auch Acker-Schmalwand genannt, Stickstoff, um zu gedeihen. Dabei ist es der weißblühenden Pflanze aber nicht egal, in welcher Form der Stickstoff vorliegt. Wie Mais, Bohnen und Zuckerrüben bevorzugt sie Stickstoff in Form von Nitrat. Kiefern und Reis hingegen wachsen besser auf ammoniumreichem Boden, einer anderen Form des Pflanzennähstoffs. Schwankt die Konzentration oder die Verfügbarkeit der verschiedenen Stickstoffformen, müssen Pflanzen sich schnell anpassen.
„Eine der wichtigsten Fragen ist, welche Rolle die Pflanzenhormone bei der Anpassung an die Stickstoffverfügbarkeit spielen. Wie gehen die Maschinerien innerhalb einer Pflanze mit ihrer sich verändernden Umwelt um?“, fragt Eva Benková, Entwicklungsbiologin und Professorin am Institute of Science and Technology (IST) Austria. Auf der Suche nach Antworten haben sich die Wissenschaftler zwei Extreme angesehen: Sie verglichen, wie Arabidopsis-Keimlinge, die ausschließlich auf Ammonium gezüchtet wurden, reagierten, sobald die Forschenden sie entweder in ammonium- oder in nitrathaltige Medien überführten.
Enthält der Boden in dem eine Pflanze lebt nicht die geeignete Nährstoffmischung, versucht sie, ihr Wurzelwachstum so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, um eine geeignetere Form von Stickstoff zu erreichen.
Das Gleichgewicht finden
Das Wurzelwachstum wird erhalten, indem sich die Zellen ausdehnen und indem sie sich im Meristem, einem Pflanzengewebe, das aus undifferenzierten Zellen besteht, vermehren. Die Pflanze muss ein gutes Gleichgewicht zwischen diesen beiden Prozessen finden. Versorgt mit Ammonium, der Form von Stickstoffs, den Arabidopsis weniger gerne hat, produzierte die meristematische Zone der Kresse weniger Zellen. Stattdessen dehnten sie sich sehr schnell aus. „Als wir die Pflanzen auf das Nitrat übersiedelten, wurde das Meristem plötzlich größer, es wurden mehr Zellen produziert und es gab eine andere Kinetik bei der Zellausdehnung“, berichtet Benková. „Arabidopsis konnte es sich nun leisten, mehr Energie in die Zellteilung zu stecken und optimierte ihr Wurzelwachstum anders.“
Den Hormonfluss steuern
Ob die Pflanze in die Vermehrung oder die Ausdehnung der Zellen investiert, wird mittels Auxin gesteuert. Dieses Pflanzenhormon liegt allen wesentlichen Entwicklungsprozessen zugrunde. Es wird durch spezielle Auxin-Transporter sehr kontrolliert von einer Zelle zur nächsten transportiert. Die Proteine, die Auxin aus den Zellen heraus transportieren, so genannte Efflux-Carrier, regulieren den Auxin-Fluss je nachdem, auf welcher Seite der Zelle sie sitzen. Benková und ihr Team interessierten sich vor allem für die Auxin-Transporter PIN2, die den Auxin-Fluss an der Wurzelspitze steuern. Sie konnten zeigen, dass vor allem PIN2 für das Gleichgewicht zwischen Zellvermehrung und Zellausdehnung sorgen.
„Wir haben beobachtet, dass sich die Position von PIN2 geändert hat, sobald wir die Pflanzen auf das Nitrat übersiedelt haben. Dadurch hat sich das Auxin anders verteilt.“
Die Aktivität von PIN2 wird wiederum durch seinen Phosphorylierungsstatus beeinflusst. „Was uns wirklich überrascht hat war, dass eine kleine Modifikation – die Phosphorylierung eines so großen Proteins wie eines Efflux-Carriers – einen so wichtigen Einfluss auf das Wurzelverhalten haben kann“, so Benková. Darüber hinaus ist die Aminosäure von PIN2, die das Ziel der Phosphorylierung ist, in vielen verschiedenen Pflanzenarten vorhanden. Das deutet darauf hin, dass PIN2 auch bei anderen Pflanzenarten wichtig für die Anpassung an veränderte Stickstoffquellen ist. In einem nächsten Schritt wollen die WissenschaftlerInnen verstehen, wie genau der Phosphorylierungsstatus gesteuert wird.
Ganz genau hinschauen
„Die vorliegende Studie konnte nur dank der Beiträge vieler verschiedener Personen entstehen – von ZellbiologInnen und InformatikerInnen bis hin zu jenen, die in der fortgeschrittenen Mikroskopie arbeiten. Es ist wirklich ein multidisziplinärer Ansatz“, betont Eva Benková. Um genau untersuchen zu können, was innerhalb der Wurzeln der Acker-Schmalwand geschieht, benutzten die BiologInnen etwa ein vertikales Konfokalmikroskop – ein Instrument, das am IST Austria speziell an die Bedürfnisse der Forschenden angepasst wurde. Statt eines horizontalen Objekttisches hat dieses Mikroskop eine vertikale Fläche.
Damit können Pflanzen so beobachtet werden, wie sie normalerweise wachsen – Wurzeln nach unten und Blätter nach oben, entlang des Gravitationsfaktors also. Mithilfe des ultrahochauflösenden Mikroskops konnten Benková und ihr Team beobachten, wie sich die Zellen in den Wurzeln von Arabidopsis in Echtzeit teilen und ausdehnen. Mit einem der beeindruckenden Videos, die so entstehen, gewann das Team bereits den Nikon Small World in Motion-Videowettbewerb. Sie zeigten, wie sich eine wachsende Wurzelspitze von Arabidopsis thaliana an anderen Wurzeln vorbeischlängelt.