Auf der Speisekarte von Nacktschnecken stehen nicht nur Moose, Flechten und Gartengemüse, sondern auch winzig kleine Hornmilben, die sie unweigerlich mit ihrer Nahrung aufnehmen. Erstaunlicherweise überstehen die meisten der kleinen Spinnentiere die Reise durch den Schneckendarm unbeschadet und werden an einem anderen Ort im Ökosystem wieder lebend ausgeschieden. Wissenschaftler um Dr. Manfred Türke vom Forschungszentrum iDiv und der Uni Leipzig haben erstmalig bei Milben diese Ausbreitungsstrategie entdeckt, die in der Fachwelt als Endozoochorie vor allem bei Pflanzen bekannt ist. Ihre Forschungsergebnisse haben die Forscher in der Fachzeitschrift Oecologia veröffentlicht.
Auf der Speisekarte von Nacktschnecken stehen nicht nur Moose, Flechten und Gartengemüse, sondern auch winzig kleine Hornmilben, die sie unweigerlich mit ihrer Nahrung aufnehmen. Erstaunlicherweise überstehen die meisten der kleinen Spinnentiere die Reise durch den Schneckendarm unbeschadet und werden an einem anderen Ort im Ökosystem wieder lebend ausgeschieden. Wissenschaftler um Dr. Manfred Türke vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig haben erstmalig bei Milben diese Ausbreitungsstrategie entdeckt, die in der Fachwelt als Endozoochorie („Verdauungsausbreitung“) vor allem bei Pflanzen bekannt ist. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in der Fachzeitschrift Oecologia veröffentlicht.
Tiere und Pflanzen haben im Laufe der Evolution zahlreiche Strategien entwickelt, um neue Lebensräume zu besiedeln. Kirschen beispielsweise werden im Sommer gern von Amseln gefressen. Den Kern scheiden die Vögel unverdaut an einem anderen Ort aus, wo die Pflanze keimen kann. Wenig bekannt ist bisher über die Ausbreitungsstrategien von Bodenlebewesen wie Milben, Fadenwürmern oder anderen wirbellosen Tieren. Diese sind winzig klein und dementsprechend langsam, leben aber in fast allen Böden. Und sie sind von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren des Ökosystems, weil sie organische Abfälle zersetzen und die Nährstoffkreisläufe im Boden aufrechterhalten.
Umso wichtiger sind die Forschungsergebnisse der Wissenschaftler um Manfred Türke. Türke sammelte über Monate im Leipziger Auwald Spanische Wegschnecken (Arion vulgaris), eine Nacktschneckenart, um ihre Exkremente unter dem Mikroskop zu untersuchen. Dabei machte der Wissenschaftler eine erstaunliche Entdeckung: Im Kot der Schnecken fand er 36 weit verbreitete Arten von winzigen Hornmilben (Oribatida). Diese Spinnentiere bewohnen den Boden und die Blattstreu der Wälder und sind nicht einmal einen Millimeter lang. Erstaunlicherweise hatten 70 Prozent der gefressenen Milben die Passage durch den Schneckendarm überlebt. Im Labor beobachtete Manfred Türke, dass die Milben durch den Transport im Schneckendarm lebend an einen neuen Ort gelangen können. Diese Ausbreitungsstrategie wird in der Fachwelt Endozoochorie („Verdauungsausbreitung“) genannt und ist bisher sehr selten bei Tieren beobachtet worden. Für die Milben, die selbst nicht nur winzig sind, sondern äußerst schwerfällig und behäbig, sind die Schnecken also ein Transport- und Ausbreitungsmittel. Denn selbst die schnellste Hornmilbe kann am Tag maximal zwei Zentimeter Strecke zurücklegen, während eine große Nacktschnecke bis zu 15 Meter Wegstrecke pro Tag problemlos meistert. „Das bedeutet eine etwa tausendfache Geschwindigkeit. Wenn eine Schnecke vorbeikriecht, ist es für eine Milbe so als würde ein ICE vorbeidonnern“, sagt Manfred Türke. Ein Zug, auf den viele Milben aufspringen.
Der Biologe vermutet sogar, dass sich eine Milbe vorsätzlich fressen lassen könnte: „Es wäre möglich, dass sie mitbekommt, wenn eine Schnecke in der Nähe ist und dann höher in die Vegetation kriecht, um gefressen zu werden. Denn in der Schnecke ist sie auch vor Feinden geschützt.“ Neben Hornmilben fanden die Wissenschaftler im Kot der gesammelten Nacktschnecken auch Pflanzensamen, Moose und vor allem andere lebende Bodentiere. Es ist also wahrscheinlich, dass sich ganze Mikroökosysteme mithilfe von Schnecken ausbreiten. Der Ausbreitungsmechanismus könnte erklären, warum winzig kleine Bodenbewohner, die selbst nur wenige Zentimeter am Tag zurücklegen, neue Habitate in einem Ökosystem erstaunlich schnell besiedeln. Ein einziger Quadratmeter Boden kann hunderttausende wirbellose Tiere beherbergen – hunderte bis tausende von verschiedenen Arten. Das bessere Verständnis dieser komplexen Lebensgemeinschaften ist von entscheidender Bedeutung für den Erhalt wichtiger Funktionen des Bodens wie Kohlenstoffspeicherung, Trinkwasserreinigung oder Bodenfruchtbarkeit.