Umweltpsychologinnen der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg erforschen in einem fachübergreifenden Team aus Wissenschaftlern zahlreicher Disziplinen eine mögliche nachhaltige Bau- und Stadtentwicklung in einer der am schnellsten wachsenden Metropolen weltweit, der Hauptstadt Kambodschas, Phnom Penh. Ziel ist es, Wege aufzuzeigen, wie Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung langfristig verankert und umgesetzt werden und gleichzeitig die Lebensqualität der Bevölkerung gesteigert werden kann.
Derzeit finde in Kambodscha ein dynamisches Wirtschaftswachstum statt, das mit einem massiven und profitgetriebenen Bauboom einhergehe, so die Umweltpsychologin Dr. Anke Blöbaum vom Institut für Psychologie der Universität Magdeburg. „Die Hauptstadt Phnom Penh ist eine der am schnellsten wachsenden Metropolen weltweit. Wenn dort jetzt nicht der Impuls gesetzt wird, die Stadt klimaangepasst zu bebauen, wird das dramatisch für die Lebensqualität der Menschen in Phnom Penh. Wird zukünftig nicht auf energie- und ressourceneffizientere Gebäude und Quartiere mit deutlich gesenkten Schadstoffemissionen gesetzt, ist das nicht nur im Hinblick auf die Klimafolgen katastrophal, sondern wird aufgrund der hohen Energiekosten auch finanziell für die Bewohnerinnen und Bewohner zum Problem werden“, erzählt die Wissenschaftlerin weiter. Darüber hinaus sei der CO2-Ausstoß des Bauens selbst dramatisch.
Laut dem am 16.12.2020 vorgelegten Bericht des UN-Umweltprogramms „2020 Global Status Report for Buildings and Construction – Towards a zero-emissions, efficient and resilient buildings and construction sector“ liege der Bau- und Gebäudesektor beim Ausstoß von Treibhausgas weltweit auf Rekordniveau. Dieser Sektor macht mittlerweile 38 Prozent der globalen CO2-Emissionen aus, zum Beispiel durch Stromverbrauch, Heizen, Klimaanlagen, aber auch durch den Bauprozess an sich. Ein Problem, das nicht nur die Lebensqualität in der Hauptstadt Kambodschas betrifft, sondern globale Ausmaße hat.
Während der vierjährigen Forschungsphase werden die Magdeburger Wissenschaftlerinnen zwei große Befragungen durchführen und vor Ort mit verschiedenen Akteuren Workshops zu den Themen nachhaltiger Lebensstile durchführen. Darüber hinaus wird das Konzept für einen Lehrplan für Umweltpsychologie an der Royal University of Phnom Penh entstehen sowie ein Kriterienkatalog für die Messung von Lebensqualität in Phnom Penh entwickelt werden.
Trotz hoher Strompreise sowie einer langen Tradition klimaschonender Architektur sind die meisten der neu errichteten Gebäude in Kambodscha weder energieeffizient noch an das tropische Klima angepasst. Darüber hinaus führt die Entwicklung einer modernen Konsumgesellschaft in Kambodscha zu einem ressourcenintensiveren Lebensstil. Dr. Anke Blöbaum und ihr Team beschäftigen sich mit dem Thema Verhaltensänderung und untersuchen wesentliche Hemmnisse, aber auch Motive und Beweggründe für umweltschonendes Alltagshandeln der Bevölkerung von Phnom Penh.
„Wir wollen verstehen, wann und warum Menschen umweltfreundlich und nachhaltig handeln“, beschreibt die Umweltpsychologin Annalena Catharina Becker aus dem Forscherinnenteam. „Basierend auf unseren Befunden wollen wir bis 2025 Maßnahmen entwickeln und erproben, die umweltschonende Verhaltensweisen anstoßen können.“
Das Projekt wird von der Universität Hamburg koordiniert und vereint Arbeitsgruppen mehrerer deutscher Universitäten aus den Bereichen Umweltpsychologie, Bauingenieurwesen, Stadtplanung, Architektur, Stadtklimatologie, Fernerkundung und Humangeographie sowie die wichtigsten kambodschanischen Hochschulen. Zudem arbeitet das interdisziplinäre Team eng mit der Stadtverwaltung von Phnom Penh, dem am Umweltministerium angesiedelten Nationalen Rat für Nachhaltige Entwicklung sowie mit verschiedenen Verbreitungspartnerorganisationen aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft zusammen.