Viele Insekten, darunter auch zahlreiche Wildbienenarten, sind vom Aussterben bedroht. Ein guter Ansatzpunkt, um Jugendliche auf dieses Problem aufmerksam zu machen und Aktionsmöglichkeiten aufzuzeigen, ist die Behandlung des Themas im Schulunterricht. Schülerinnen und Schüler, so das Ergebnis einer neuen Studie, zeigen sich in ihren Handlungsabsichten wesentlich umweltfreundlicher, nachdem sie sich für drei bis fünf Wochen um ein Hummelvolk gekümmert haben. Allerdings ist dieser deutliche Zusammenhang nur direkt nach dem Experiment festzustellen und nicht von längerfristiger Dauer.
„Wir haben in unserer Studie mit 10- bis 14-jährigen Schülerinnen und Schülern außerdem bemerkt, dass hummelfreundliche Handlungsabsichten eng mit der Einstellung und dem Interesse der Jugendlichen zusammenhängen“, sagt Anne-Kathrin Sieg, Biologin in der AG Didaktik der Biologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). „Das bedeutet für die Lehrkräfte, dass sie mit einem spannenden Unterricht das Interesse an Wildbienen und die Schutzbereitschaft der Kinder und Jugendlichen stärken können.“
Schulen im Rhein-Main-Gebiet nahmen an Hummelprojekt teil
Insekten sind die artenreichste Tierklasse auf unserem Planeten. Sie sind für die Bestäubung von Pflanzen und damit für das Ökosystem insgesamt ausgesprochen wichtig: Beinahe 90 Prozent der Wildblumenarten hängen zumindest zum Teil von der Bestäubung durch Tiere ab und 75 Prozent der weltweit wichtigsten Nahrungspflanzen profitieren von der Bestäubung durch Insekten. Der Rückgang der Insektenpopulationen in den letzten Jahrzehnten hat daher nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Folgen.
Anne-Kathrin Sieg hat vor diesem Hintergrund untersucht, ob zwischen umweltfreundlichen Handlungsabsichten einerseits und Wissensstand, Einstellung, Ängsten, Interesse und Spaß am Lernen andererseits ein Zusammenhang besteht. Sie ermittelte dazu im Rahmen ihrer Doktorarbeit die Reaktion von insgesamt 188 Schülerinnen und Schülern aus dem Rhein-Main-Gebiet, die an ihrem Hummelprojekt teilgenommen haben.
Bei „Hallo Hummel!“ konnten die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 5 bis 7 ein Hummelvolk in ihrer Schule betreuen und sich dabei mit Fragestellungen aus der Ökologie, der Neurobiologie und dem Naturschutz auseinandersetzen. „Wir wollten wissen, wie sich die hummelfreundlichen Handlungsabsichten der Schülerinnen und Schüler gestalten und ob wir Veränderungen bemerken“, sagt Anne-Kathrin Sieg. Dies wurde unter anderem mit Fragebögen vor dem Beginn, unmittelbar nach und dreieinhalb Monate nach dem Abschluss des Projekts erhoben.
Erfasst wurde beispielsweise der Grad der Zustimmung zu einer Aussage wie „Ich setze mich in meiner Familie dafür ein, dass wir auf den Einsatz von Spritzmitteln in unserem Garten verzichten sollten“ oder „Ich werde unseren Bürgermeister in einem Brief auffordern, die öffentlichen Plätze und Straßenränder meines Heimatortes insektenfreundlich zu gestalten“.
Faktenwissen allein reicht nicht aus!
Bei der Auswertung der Antworten fiel auf, dass Wissen über Hummeln alleine noch nicht zu mehr Schutzbereitschaft führt. „Reines Faktenwissen über Hummeln steht in keinem Zusammenhang mit hummelfreundlichen Handlungsabsichten. Allerdings besteht ein Zusammenhang, wenn es sich um das sogenannte Handlungswissen handelt, also Wissen beispielsweise über das Insektensterben, den Ursachen und Folgen und den Maßnahmen dagegen“, beschreibt die Biologin ein Ergebnis der Studie. Das kann für Lehrkräfte interessant sein, wenn sie den Unterricht planen.
Projekt fördert hummelfreundliche Handlungsabsichten
Insgesamt ergaben die Erhebungen, dass die Bereitschaft zu hummelfreundlichen, umweltschützenden Handlungsabsichten nach der Teilnahme an dem Projekt „Hallo Hummel!“ deutlich höher war als zuvor, wobei die Veränderung einer mittleren Effektstärke entspricht. Kein signifikanter Unterschied wurde zwischen dem Vortest und dem Follow-up-Test nach dreieinhalb Monaten verzeichnet.
Die Ergebnisse der Studie „Promoting Pro-Environmental BEEhavior in School. Factors Leading to Eco-Friendly Student Action“, die nicht nur für den Biologieunterricht relevant sind, wurden deshalb auch in der interdisziplinär ausgerichteten Fachzeitschrift Sustainability publiziert.
In Deutschland gibt es über 560 unterschiedliche Bienenarten
Für den Einsatz in Schulen haben die Biologiedidaktiker um Prof. Dr. Daniel Dreesmann die Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris) gewählt, weil diese friedfertige Wildbienenart von Kindern und Jugendlichen gut akzeptiert wird. Hummeln bilden zudem nur Sommerstaaten und sterben im Winter mit Ausnahme der Jungköniginnen. Dies macht sie für den Einsatz an Schulen attraktiv. Die Betreuung des Hummelvolks erfolgte durch die Schülerinnen und Schüler überwiegend draußen auf dem Schulgelände. Für verhaltensbiologische Beobachtungen wurden die Hummelvölker zusätzlich kurzzeitig in das Klassenzimmer gebracht. Vor zwei Jahren erhielt das Projekt „Hallo Hummel!“ eine offizielle Auszeichnung als Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt.
Damit ist die Forschung rund um Hummeln und ihre Einsatzmöglichkeiten im Biologieunterricht jedoch nicht abgeschlossen. Lehrkräfte weiterführender Schulen können im Rhein-Main-Gebiet auch zukünftig im Projekt „Hummeln helfen!“ mit der AG Didaktik der Biologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz kooperieren. Schülerinnen und Schüler engagieren sich hier aktiv für den Schutz von Wildbienen, indem sie unter anderem ihr Schulgelände insektenfreundlich gestalten, nachdem sie dort zuvor die Vielfalt an Wildbienen ermittelt und geeignete Schutzmaßnahmen entwickelt haben.