Die Zeichen mehren sich, dass im Februar 2022 der Startschuss für Verhandlungen über ein weltweites Abkommen gegen Plastikverschmutzung fällt. In einem im Fachmagazin „Science“ veröffentlichten Beitrag hat Dr. Nils Simon zusammen mit weiteren Wissenschaftler*innen drei Kernziele und eine Reihe unterstützender Maßnahmen aufgeschlüsselt, die ein solcher zwischenstaatlicher Umweltvertrag benötigt, um effektiv die weiter zunehmende Menge an Plastikmüll einzudämmen.
Die Zeit ist reif für ein globales Abkommen gegen Plastikmüll
Alle bisherigen Maßnahmen und Aktionspläne haben die Plastikflut nicht in den Griff bekommen. Jetzt hilft kein Herumlavieren mehr: Wir brauchen einen internationalen Vertrag, der weit über bestehende Vereinbarungen hinausgeht und weitreichende Maßnahmen enthält. Allen voran sollte darin eine deutliche Begrenzung der Menge an Plastik festgeschrieben werden, die jährlich produziert werden darf. Darüber hinaus muss die Staatengemeinschaft verbindlich verankern, dass Plastik grundsätzlich recycelbar sein muss und zum größten Teil auch sicher recycelt wird. Und schließlich müssen Vorkehrungen getroffen werden, den bereits in der Umwelt befindlichen Plastikabfall wieder herauszuholen – und zu verhindern, dass neuer Müll hineingelangt. Wirksam kann ein solches Abkommen aber nur sein, wenn alle Hauptverschmutzer mitziehen. Es braucht den klaren Willen der teilnehmenden Staaten, international beschlossene Regeln auf ihrem eigenen Gebiet auch effektiv umzusetzen“, sagt Dr. Nils Simon, Senior Advisor bei adelphi und Hauptautor des heute im Fachmagazin Science erscheinenden Beitrags A bindung global agreement to address the life cyle of plastics.
Die Schritte zu einem globalen Plastikabkommen
Es ist kaum mehr eine Frage ob, sondern vor allem wann und in welcher Form es zu einem weltweiten Abkommen gegen Plastikverschmutzung kommt. Auf der ersten Hälfte der fünften UN-Umweltversammlung (UNEA 5.1) im Februar dieses Jahres haben zahlreiche Staaten ihre Unterstützung für ein neues UN-Abkommen ausgedrückt. Die UNEA tagte aber nur virtuell und konnte keine Entscheidung hierzu treffen. Die Regierungen, die einen solchen Umweltvertrag wollen, halten den Druck aber hoch: Am 1. Juni haben viele von ihnen zum Oceans Day eine Plastic Pollution Declaration vorgestellt, in der inzwischen 79 Staaten einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag gegen Plastikmüll in der Umwelt fordern.
Umweltschutzorganisationen und zahlreiche Unternehmen fordern ein solches Abkommen bereits seit Jahren. Und am 1. bis 2. September lädt Deutschland gemeinsam mit Ghana, Ecuador und Vietnam zu einer virtuellen Minister-Konferenz, die den Endspurt bis zur entscheidenden UN-Umweltversammlung im Frühjahr 2022 einläuten wird, der UNEA 5.2. Sie soll ein Verhandlungskomitee auf den Weg bringen, das die Details festzurren muss.
Diese drei Kernziele muss ein globales Plastikabkommen enthalten
Unklar ist bislang, wie das Abkommen genau aussehen wird. Die Autoren des Science-Artikels argumentieren: Um effektiv zu sein, muss das Plastik-Übereinkommen drei Kernziele festschreiben:
- Erstens muss die Gesamtmenge an neuem Plastik, die produziert werden darf, gedeckelt und schrittweise reduziert werden. Dies verhindert nicht nur neuen Plastikmüll. Es leistet auch einen wesentlichen Beitrag zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels im Klimaschutz. Bis 2040 sollte die Herstellung neuen Plastiks auf ein Minimum heruntergefahren sein.
- Zweitens muss festgelegt werden, dass möglichst alles Plastik im Kreislauf geführt wird. Dafür muss es recycelbar sein und auch sicher recycelt werden. Hierfür sind technische Standards unabdingbar, und eine verpflichtende Informationsweitergabe entlang der Wertschöpfungskette. Die Maßnahmen müssen auch dazu beitragen, die fast 2.500 gesundheitlich bedenklichen Zusatzstoffe aus der Produktion verschwinden zu lassen, die heute noch eingesetzt werden.
- Drittens muss bereits entstandene Plastikverschmutzung aufgeräumt werden, und zwar sowohl an Land – wo es vergleichsweise einfach ist – als auch in den Ozeanen, wo dies ungleich schwerer fällt und teurer ist.
In dem Artikel werden zudem weitere unterstützende Mechanismen und Maßnahmen beschrieben, mit denen Staaten diese drei Kernziele erreichen oder die ihnen bei der Umsetzung helfen können.
„Ein neues Plastikabkommen muss aufbauen auf den bereits bestehenden Maßnahmen und regionalen Abkommen, die sich auf den Meeresschutz beziehen. Die zahlreichen Aktivitäten in den vergangenen Jahren waren gut und wichtig, und doch haben sie nicht genug Fortschritte gebracht. Ein globales Abkommen, das sich auf den ganzen Lebenszyklus von Plastik fokussiert, kann ein sehr wirksames Instrument sein, um bestehende Institutionen zu stärken oder ihre Schwächen auszugleichen“, sagt Sebastian Unger, Forschungsgruppenleiter im Bereich Ocean Governance beim Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS).
Zu den weiteren Autoren des Artikels gehören:
- Karen Raubenheimer (University of Wollongong, Australien)
- Niko Urho (University of Massachusetts Boston, USA)
- David Azoulay (Center for International Environmental Law, Schweiz)
- Trisia Farrelly (Massey University, New Zealand)
- Joao Sousa (International Union for the Conservation of Nature, Schweiz)
- Harro van Asselt (University of Eastern Finland, Finland)
- Giulia Carlini (Center for International Environmental Law, Switzerland)
- Christian Sekomo (National Industrial Research and Development Agency, Rwanda)
- Maro Luisa Schulte (adelphi, Deutschland)
- Per-Olof Busch (adelphi, Deutschland)
- Nicole Wienrich (Institute for Advanced Sustainability Studies, Deutschland)
- Laura Weiand (Institute for Advanced Sustainability Studies, Deutschland)