Waldökosysteme beeinflussen das Klima auf globaler und lokaler Ebene. Eine wichtige Eigenschaft von Wäldern ist die Regulation des Ökosystem-Mikroklimas. Die Beschattung durch die Bäume, die Verdunstung von Wasser, die Speicherung von Wärme in der Biomasse sowie die Energieumwandlung durch Photosynthese bewirken, dass Wälder sich selbst und ihre Umgebung bei Hitze kühlen. Dadurch können besonders während länger andauernden Hitzewellen schädliche Höchsttemperaturen vermieden werden.
Die für die Studie verantwortliche Wissenschaftlerin Jeanette Blumröder der HNEE stellt fest: „Ein stärkerer Holzeinschlag und eine entsprechend größere Öffnung des Kronendachs treiben die Höchsttemperaturen im Wald in die Höhe. Damit wächst auch die Vulnerabilität, also die Empfindlichkeit und Verletzlichkeit, der Wälder im Klimawandel. Die umfangreichen Messreihen in Buchenwäldern und Kiefernforsten in Norddeutschland aus den Hitzesommern 2018 und 2019 bestätigen sehr konkret die Befürchtungen, die sich aus vorherigen Studien ergaben. Wird das Kronendach um 10 % geöffnet, steigen die durchschnittlichen Höchsttemperaturen um ungefähr ein halbes Grad Celsius. Kiefernforste zeigen ein unterdurchschnittliches Kühlungsvermögen, sobald das Kronendach weniger als 82 % geschlossen ist.“
Wissenschaftler der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) zeigen in einer mit Kolleginnen und Kollegen der Leuphana-Universität in Lüneburg und der Freien Universität Berlin in der Fachzeitschrift Ecological Solutions and Evidence der British Ecological Society veröffentlichten Studie, dass die forstliche Nutzung einen erheblichen Einfluss auf das Kühlungsvermögen von Wäldern und damit auch ihre Empfindlichkeit im Klimawandel nimmt.
In biomassearmen Kiefernforsten (177 m3 pro Hektar) fiel die durchschnittliche Höchsttemperatur um 9°C höher aus, als in relativ holzreichen Buchenwäldern (> 565 m3 pro Hektar). Werden allein Kiefern-Plantagen betrachtet, zeigt sich ebenfalls ein erheblicher Einfluss der Nutzungsintensität: Während des heißesten Tages im Jahr 2019 betrug der Unterschied der Temperaturspitzen zwischen jenen mit relativ dichtem Kronendach (72 %) und solchen mit einem besonders offenen (46 %) mehr als 13°C.
Der Projektleiter Prof. Dr. Pierre Ibisch fasst zusammen: „Die Schlussfolgerung ist, dass Waldbewirtschafter es also im Klimawandel ein Stück weit in der Hand haben, wie stark sich die ihnen anvertrauten Wälder aufheizen und dadurch potenziell geschädigt werden. Höhere Biomassevorräte und ein geschlossenes Kronendach sind eine Versicherung gegen extreme Witterungen“.
In der veröffentlichten Studie werden auch bislang häufig ausgesprochene waldbauliche Empfehlungen zur stärkeren Durchforstung von Wäldern kritisch diskutiert und in Zweifel gezogen. Wasserverluste und das Risiko von Hitzeschäden wachsen durch stärkere Durchforstung an. Die Autor*innen empfehlen, das Kronendach möglichst geschlossen zu halten (mindestens zu 80 %) und die Wälder entsprechend behutsam zu nutzen. Außerdem bestätigen sie die bekannte Forderung, die einfach strukturierten Nadelbaummonokulturen möglichst rasch in strukturreiche Laubmischwälder zu entwickeln. Waldbewirtschafter sollten ihrer herausragenden Verantwortung für das Landschafts-Temperaturmanagement im Klimawandel gerecht werden.
Die Studie wurde maßgeblich durch das Projekt „Ökologische und ökonomische Bewertung integrierter Naturschutzmaßnahmen in der Waldbewirtschaftung zur Sicherung von Ökosystemleistungen und Waldökosystemfunktionen (Gläserner Forst) – Teilprojekt 3: Ökologische Bewertung und Ökosystemleistungen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Projektpartner sind das Brandenburgische Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK), die Universität Göttingen und der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU).
Die untersuchten Wälder befinden sich unter anderem im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und auf Flächen der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe in Brandenburg sowie im Schutzgebiet der Heiligen Hallen in Mecklenburg-Vorpommern.