Die Folgen des Klimawandels sind auch im Verhalten vieler Vögel zu erkennen. Lokale Wetterbedingungen helfen beispielsweise Wildtieren, um den optimalen Zeitpunkt der Eiablage zu finden. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie mit Graugänsen zeigen, dass höhere Wintertemperaturen mit einem früheren Legebeginn verbunden sind und dass eine höhere durchschnittliche Jahrestemperatur auch mit einem höheren Bruterfolg zusammenhängt. Das hat ein Team der Konrad Lorenz Forschungsstelle (KLF) der Universität Wien herausgefunden.
Insbesondere Langzeitdaten sind wertvolle Informationsquellen, um die Zusammenhänge zwischen klimatischen und biologischen Veränderungen zu verdeutlichen. 29 Jahre lang sammelten die Forscher*innen in Grünau detaillierte Informationen über den Brutbeginn (d.h. Datum des ersten gelegten Gänseeis in die Schar) und den Bruterfolg (d.h. Anzahl der flüggen Jungen) von insgesamt 300 Graugänsen. Die Tiere wurden 1973 vom Nobelpreisträger Konrad Lorenz in Grünau im Almtal angesiedelt; derzeit befinden sich 157 Vögel in der Schar.
„Durch ihre Bestanddauer sind die Grünauer Graugänse eine weltweit einzigartige und wertvolle Ressource für die Wissenschaft“, so Ornithologe Josef Hemetsberger, der sich seit 30 Jahren um das Monitoring des Brutgeschehens kümmert. „Die Phänologie befasst sich mit den im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Entwicklungserscheinungen in der Natur und ist ein wichtiger Aspekt des globalen Wandels, weil Zeitmuster wie etwa die Eiablage stark durch menschliche Aktivitäten beeinflusst werden. Detaillierte Analysen wie unsere sind aber nur durch Langzeitdaten möglich“, erklären die Co-Autorinnen Petra Sumasgutner und Didone Frigerio.
Die Ergebnisse der Studie im Konkreten: Seit 1990 zeigt sich ein stetiger Temperaturanstieg im Untersuchungsgebiet, die durchschnittlichen Jahrestemperaturen sind um 2°C angestiegen. Die allgemein wärmeren Winter verursachen bei den Gänsen eine frühere Eiablage. Dieser frühere Legebeginn hat zu einer Erweiterung des allgemeinen Lege-Zeitfensters geführt: „Bei wärmeren Wintern konnten mehr Weibchen zu Brüten beginnen. Insgesamt sind mehr Junge flügge geworden“, so Didone Frigerio.
Allgemein scheinen die Graugänse also positiv auf die Erwärmung zu reagieren, zumindest im alpinen Raum. „Diese Ergebnisse erweitern unser Verständnis über die Effekte von Umweltveränderungen auf Populationsebene. Sie eröffnen neue Forschungsansätze über die ökologischen Folgen des Klimawandels“, so die Leiterin der Forschungsstelle in Grünau, Sonia Kleindorfer, abschließend.