Wärmewende: Verschiedene Maßnahmen-Mixe führen zum Ziel

© Fraunhofer ISE Die Erhöhung der energetischen Sanierungsrate und -tiefe, unter anderem bei unsanierten Mehrfamilienhäusern, ist einer der zentralen Hebel der Wärmewende.

Auch wenn bei der Diskussion um Emissionsziele meist erneuerbare Stromerzeugung, Kohleausstieg und Elektromobilität im Vordergrund stehen, sind die Klimaschutzziele ohne den Gebäudesektor nicht zu erreichen. Laut Klimaschutzgesetz muss er bis 2030 seinen Treibhausgasausstoß um etwa 44 Prozent verringern (2020: 120 Mio. t CO2-äq, 2030: 67 Mio. t CO2-äq). Doch die Wärmewende im Gebäudesektor kommt seit Jahren nur schleppend voran.

Die Gründe sind vielfältig: viele Stakeholder, heterogene Gebäude- und Eigentümerstrukturen, lange Planungsabläufe und Investitionszyklen sowie hohe Kosten, die es gerecht zu verteilen gilt. Die Auswahl von möglichen Maßnahmen und Politikinstrumenten ist groß. Fachleute aus dem Kopernikus-Projekt Ariadne haben jetzt 45 mögliche Instrumente in einem Hintergrundpapier analysiert und bewertet.

Herausgeber ist das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), die Autoren der Studie sind Forschende des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE, der Universität Stuttgart, des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, des Öko-Instituts, des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung und des Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität.

Die bisherigen Instrumente, so die Autoren, seien nicht ausreichend für das Erreichen der Klimaschutzziele im Gebäudesektor, es bestehe auf allen Ebenen massiver Handlungsbedarf. Zentrale Handlungsfelder sind die Erhöhung der (energetischen) Sanierungsrate und -tiefe sowie der Energieträgerwechsel zu auf Erneuerbaren Energien basierenden Wärmeversorgungssystemen (dezentrale Systeme sowie Ausbau und Defossilisierung der Wärmenetze).

Ziel des Forscherteams war es, ausgehend von einer Bewertung der bestehenden Instrumente die Grundlage für die Weiterentwicklung des politischen Rahmens und neue Maßnahmen zu schaffen. Zudem sollte aufgezeigt werden, welche Maßnahmen nicht aufeinander abgestimmt sind und sich dadurch in ihrer Wirkung begrenzen.

Als einer der wichtigsten Bausteine der zukünftigen Klimaschutzgesetzgebung wurde der CO2-Preis betrachtet, wobei die Forschenden von zwei Szenarien ausgingen: eines weltweit hohen CO2-Preises sowie eines niedrigen CO2-Preises. Ein hoher CO2-Preis könnte zwar eine besonders starke Lenkungs- und Langzeitwirkung erzeugen, weil es zu teuer wäre, weiterhin fossile Energie zu nutzen. Um einkommensschwache Haushalte in der Gesellschaft zu entlasten, würden Instrumente und Maßnahmen für eine faire Rückverteilung benötigt.

Bei niedrigem CO2-Preis würden dagegen Instrumente wie beispielweise Einbau- und Betriebsverbote fossilbetriebener Heizkessel stärker an Bedeutung gewinnen, um die Nutzung fossiler Brennstoffe einzudämmen und die Treibhausgasemissionen zu senken.

Auf die Mischung kommt es an

Der Ariadne-Hintergrund umfasst zwei Teile: Im ersten Teil werden die Hemmnisse und Herausforderungen des Gebäudesektors beschrieben und verschiedene mögliche Mixe der Instrumente aufgezeigt. Im zweiten Teil werden die politischen Optionen in 45 Steckbriefen genauer vorgestellt. Die Maßnahmen reichen von einer Grundsteuerreform über die Einführung von Mindestquoten bis zur Anpassung des Mieterstromgesetzes.

Kriterien für die Beurteilung der Instrumente waren die Klimaschutzwirkung, die Kostenverteilungsgerechtigkeit, die gesellschaftliche Akzeptanz, die realistische politische Umsetzbarkeit und die ökonomische Effizienz. Auch das Zusammenspiel mit anderen Instrumenten wurde betrachtet, denn keine Maßnahme wirkt für sich allein.

Nachträglichen Anpassungs- und weiteren Forschungsbedarf stellen die Expertinnen und Experten vor allem bei der Abfederung sozialer Härten und dem Zusammenwirken von Strom- und Wärmesektor fest. Nur wenn diese berücksichtigt werden, könnten aufeinander abgestimmte, wirksame Instrumentensets erstellt und umgesetzt werden. Eine besondere Herausforderung liegt hierbei darin, dass diese flexibel anpassungsfähig und neu zusammensetzbar sein müssen.

»Es gibt nicht EINE Maßnahmen-Kombination für das sozial verträgliche und planmäßige Erreichen der Klimaschutzziele, vielmehr bieten sich verschiedene wirksame Instrumenten-Mixe an. Wichtig ist aufgrund der langen Investitionszyklen im Gebäudesektor, dass rasch verbindliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Modernisierung zu beschleunigen«, erklärt Sebastian Herkel, Abteilungsleiter Energieeffiziente Gebäude am Fraunhofer ISE.

Über das Kopernikus-Projekt Ariadne:

Über 100 Wissenschaftler aus mehr als 25 Institutionen forschen im Ariadne-Konsortium rund um die Energiewende. Ziel ist, Energiewende-Strategien und Politikinstrumente und deren systemische Wirkungen sowie sektorale Wechselwirkungen zu erforschen. Ariadne erforscht welche Governance und welche Institutionen es braucht, um einen effektiven Klimaschutz zu gestalten.

Um die Wirkung verschiedener Politikinstrumente besser zu verstehen und gesellschaftlich tragfähige Strategien entwickeln zu können werden deshalb im Projekt Ariadne von Anfang an sowohl Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft als auch aus der breiten Öffentlichkeit aktiv eingebunden.

So erarbeitet das Projekt zielführende Maßnahmen und Optionen für die Politik, Erkenntnisse und Ergebnisse des Projekts werden in Form von Policy Briefs, Themendossiers, Hintergrundpapieren, Visualisierungen und interaktiven Anwendungen bereitgestellt.