Die Dienstwagenbesteuerung bringt die Verkehrspolitik in Deutschland immer mehr in eine soziale und ökologische Schieflage. Das zeigt eine Analyse des Thinktanks Agora Verkehrswende und des Öko-Instituts. Schätzungen zufolge kosten die gewährten Steuernachlässe auf die private Nutzung von Firmenwagen den Staat zwischen drei und sechs Milliarden Euro pro Jahr, Tendenz steigend.
Etwa die Hälfte des Geldes geht an das Fünftel der Haushalte mit den höchsten Einkommen, während die Haushalte der unteren Einkommenshälfte nur etwa ein Fünftel des Geldes bekommen. Die geförderten Fahrzeuge sind besonders klimaschädlich, denn sie haben durchschnittlich deutlich mehr Motorleistung (160 PS) als privat zugelassene Pkw (115 PS) und fahren mit rund 30.000 Kilometern doppelt so viel im Jahr.
Bei den zusätzlich eingeführten Vorteilen für voll- und hybridelektrische Fahrzeuge sei eine ökologische Lenkungswirkung nicht zu erkennen. Der Anteil vollelektrischer Pkw lag im ersten Halbjahr 2021 mit acht Prozent bei gewerblichen Neuzulassungen nur halb so hoch wie bei privaten.
Für eine sozialere und ökologischere Steuerpolitik
„Die Reform der Dienstwagenbesteuerung ist überfällig“, sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. „Es reicht nicht, eine unsoziale und klimaschädliche Regelung ein bisschen ökologisch aufzuhübschen. Sie muss von Grund auf neu gestaltet werden. Das heißt erstens: Schluss mit jeglichen Privilegien für Verbrennerdienstwagen. Ob ich privat mit meinem eigenen Auto oder dem meines Arbeitgebers fahre, darf steuerlich keinen Unterschied machen.
Aufbauend auf diesem Prinzip der Steuerneutralität kann die Bundesregierung vorübergehende Anreize für den Kauf und die Nutzung von nachweislich emissionsarmen Firmenwagen setzen.“ „Die geltende Regelung bemisst den geldwerten Vorteil viel zu niedrig“, sagt Konstantin Kreye vom Öko-Institut.
„Zudem wirkt die häufig bereitgestellte Tankkarte wie eine Flatrate: Je mehr ich fahre, desto mehr bekomme ich für mein Geld. Arbeitgeber können die Nutzung eines Dienstwagens mit einem hohen Wert in Gehaltsverhandlungen einbringen. Die meist gut verdienenden Beschäftigten bekommen dafür ein größeres Auto, als sie sich privat kaufen würden. Zusätzlich werden die Betriebskosten meist vollkommen vom Arbeitgeber übernommen, so dass sie viel günstiger fahren als mit einem eigenen Pkw oder auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln.“
Dienstwagen sind besonders CO2-intensiv
Die Dienstwagenbesteuerung ist laut Analyse von Agora Verkehrswende und Öko-Institut ein wichtiger Grund für die im EU-Vergleich besonders hohen durchschnittlichen Emissionen bei gewerblichen Neuzulassungen in Deutschland. Mit 140 Gramm CO2 je Kilometer lag der Wert 2020 weit über dem von Spitzenreiter Niederlande mit 98 Gramm CO2 je Kilometer.
Für Arbeitgeber und Beschäftigte lohnt es sich in Deutschland, besonders teure, oft große und damit tendenziell emissionsstarke Fahrzeuge anzuschaffen, weil dann der Steuervorteil durch Absetzbarkeit der Anschaffungskosten und Vorsteuerabzug im Vergleich zum privaten Pkw am größten ist. In den oberen Fahrzeugsegmenten sind aber bisher nur wenige vollelektrische Modelle verfügbar. Stattdessen werde die Hybridvariante mit Ladestecker gewählt. Eine Motivation, diese Fahrzeuge elektrisch zu fahren, bestehe jedoch ohne spezifische betriebsinterne Regelungen nicht.
Diese Fehlanreize bei der Beschaffung von Dienstwagen übertragen sich auf den Pkw-Bestand insgesamt, denn in Deutschland werden zwei von drei neuen Pkw gewerblich zugelassen. Nach nur zwei bis vier Jahren gehen die Dienstwagen in den Gebrauchtwagenmarkt über, wo sie noch lange privat gefahren werden.
Von Dienstwagen profitieren vor allem hohe Einkommen
Ein Blick auf die Verbreitung und Nutzung von Dienstwagen unterstreicht die negativen Effekte des aktuellen Steuerrechts. Über einen Dienstwagen verfügen vor allem Männer mit hohem Einkommen im Alter von 40 bis 60 Jahren. Rund die Hälfte aller an Beschäftigte überlassenen Dienstwagen wird von Angestellten mit einem Bruttoeinkommen von 5.000 Euro pro Monat und mehr genutzt.
Die große Fahrleistung von Dienstwagen geht nicht zuletzt darauf zurück, dass die Besteuerung meist pauschal anhand des Listenpreises festgesetzt wird. Viele Arbeitgeber übernehmen zudem die Kraftstoffkosten. Die Ausgaben für Anschaffung und Betrieb der Fahrzeuge kann der Arbeitgeber von der Steuer absetzen. Am Ende spart er meist mehr Lohnkosten ein, als er in den Dienstwagen investieren muss.
Differenzierung nach CO2-Emissionen
Die soziale und ökologische Schieflage bei der Dienstwagenbesteuerung ist in Deutschland besonders ausgeprägt. Großbritannien und Belgien zum Beispiel differenzieren bei der Bemessung des geldwerten Vorteils nach CO2-Emissionen. Je höher die Emissionen, desto höher die Steuerabgabe durch die Beschäftigten. Auch die Möglichkeit des Arbeitgebers, die Fahrzeugkosten steuerlich abzusetzen, könnte je nach Höhe der CO2-Emissionen eingeschränkt werden.
Denkbar wäre aber auch ein Preisaufschlag für CO2-Emissionen beim Kauf eines Fahrzeugs über die Kfz-Steuer. Zudem können die Unternehmen über betriebsinterne Regelungen Anreize für nachhaltigere Mobilität setzen.
compan-e: Projekt für nachhaltige Unternehmensmobilität
Die Analyse zeigt, warum Dienstwagen für den Klimaschutz relevant sind, wie Dienstwagen steuerlich bevorteilt werden und warum die Besteuerung ökologisch und sozial problematisch ist. Abschließend gibt sie auch einen Überblick über Reformoptionen. Der Schwerpunkt liegt auf der privaten Nutzung von Firmenwagen durch Angestellte, weil hier die Steuerprivilegien besonders hoch ausfallen. Auch für Selbstständige und Gewerbetreibende kann die private Nutzung eines Firmenwagens in bestimmten Konstellationen steuerlich attraktiv sein.
Agora Verkehrswende und Öko-Institut haben die Analyse im Rahmen des Projekts compan-e durchgeführt. Ziel des vom Öko-Institut geleiteten Projekts ist es, Wege zu einer elektrischen und nachhaltigen Unternehmensmobilität aufzuzeigen. Neben Agora Verkehrswende und dem Öko-Institut sind auch die Unternehmensinitiative Stiftung 2° sowie Unternehmen aus den Branchen Verkehr, Energieversorgung, Facility Management, Versicherung und Kommunikation beteiligt. Gefördert wird das Vorhaben vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.