Bewusstsein, Kompetenz, Gelegenheit: Ohne die überzeugte Unterstützung der Mehrheit ist eine Klima- und Ressourcenwende in einer demokratischen Gesellschaft unmöglich. Die neue Bundesregierung muss dazu weit mehr offene Diskurse betreiben und einen gesetzlichen Rahmen schaffen, der nachhaltige Lebensstile genauso fördert wie nachhaltige Dienstleistungen und Produkte. Hebel und Vorbild sollte dabei die eigene Beschaffung sein.
„Wir dürfen die Transformation zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem nicht allein als technische Aufgabe betrachten, das lässt wichtige Potenziale unserer Gesellschaft ungenutzt“, sagt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts. Die beiden Autorinnen Prof. Dr. Christa Liedtke, Leiterin der Abteilung Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren am Wuppertal Institut, und Dr. Alexandra Büttgen, Senior Researcher im Forschungsbereich Innovationslabore, zeigen zusammen in dem neuen Zukunftsimpuls „Zehn Botschaften zu SDG 12 ‚Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster‘“ auf, welche Schritte nötig sind, um klima- und umweltfreundliche Lebens- und Produktionsstile zu ermöglichen, deren Umsetzung zu forcieren und den Weg in eine klimaneutrale und ressourcenleichte Demokratie zu gehen.
Für das Gelingen der Transformation ist nach Ansicht der Autorinnen ein weit verbreitetes Nachhaltigkeitsbewusstsein Voraussetzung. „Ohne ein Bewusstsein für eine ökologische, ökonomische und soziale Dimension der Nachhaltigkeit ist keine Generationengerechtigkeit möglich. Die neue Bundesregierung muss dieses Bewusstsein durch eine entsprechende Wissensvermittlung deutlich stärker fördern als bisher“, betont Christa Liedtke.
Am überzeugendsten sei dabei das Lernen durch praktisches Erleben. Darum schlägt das Wuppertal Institut unter anderem eine stärkere Förderung von Erprobungsräumen für nachhaltiges Leben vor – wie etwa in Reallaboren und Living Labs. Zusätzliche Impulse müssen durch eine intensivere Bewerbung für nachhaltige Berufsprofile ausgehen.
Nachhaltiges Angebot stärken und Innovationen nachhaltige Richtung geben
Bei den staatlichen Vorgaben für den klimafreundlichen Umbau einzelner Sektoren wie Mobilität, Elektrizität oder Gebäude kommt die Produktebene häufig zu kurz. „Wir sollten den Zugang entsprechend erweitern und die Entwicklung nachhaltiger Produkte und eine nachhaltige Produktion stärken“, sagt Liedtke.
Dazu zählen etwa die vermehrte Anwendung von Ökodesign-Vorgaben für klimafreundliche und ressourcenleichte Produkte, höhere Quoten für den Einsatz von Recyclingmaterial, eine bessere Kennzeichnung und ein besserer Marktzugang für nachhaltige Produkte. Nachhaltiger Konsum müsse in allen Lebensbereichen möglich sein und dabei auch die sozial schwächer aufgestellten Haushalte einbeziehen.
Laut einer Studie des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen befürworten fast 40 Prozent der Befragten eine Nachhaltigkeitssteuer auf nicht-nachhaltige Güter und Dienstleistungen einzuführen. Solche Steuereinnahmen könnten als sozialer Ausgleich umverteilt werden, beispielsweise für Pro-Kopf-Rückzahlungen, schlagen die Autorinnen des Zukunftsimpulses mit Blick auf dieses Befragungsergebnis vor.
Kommunen: Lernort und Hebel für Nachhaltigkeit
Eine zentrale Rolle nehmen dabei die Kommunen ein. „Die öffentliche Beschaffung der Kommunen in Deutschland umfasst 40 bis 60 Prozent des jährlichen Gesamtvolumens von rund 480 Milliarden Euro. Das zeigt eine Studie des Instituts für den öffentlichen Sektor. Diese riesige Nachfrage reicht von Baumaßnahmen in kommunalen Infrastrukturen bis zur Gastronomie. Wir müssen sie konsequent als Hebel und Vorbild für Nachhaltigkeit nutzen“, sagt Alexandra Büttgen.
Die Kommunen sind auch als Akteurinnen gefordert, indem sie gute Rahmenbedingungen für den Ausbau von Kreislaufwirtschaften und Möglichkeiten zum kollaborativen Konsum schaffen – etwa durch Miet-, Teil- und Tauschangebote. Eine Vernetzung auf kommunaler Ebene verstärkt den Erfahrungsaustausch, hilft Kompetenzen vor Ort auszubauen und begünstigt einen schnellen Fortschritt.
Erfolgskriterien schärfen, Erfolge messen
Um eine nachhaltige Entwicklung sichtbar umzusetzen, muss sie richtungssicher messbar und bewertbar sein. Dazu haben die Vereinten Nationen die „Ziele für Nachhaltige Entwicklung“ (Sustainable Development Goals, SDGs) aufgestellt. Daran orientiert sich auch die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. „Die hier vorgegebenen Ziele sind zwar sinnvoll, werden aber heute bei weitem noch nicht erreicht.
Laut des Indikatorenberichts des Statistischen Bundesamtes liegt der Marktanteil etwa von Produkten mit staatlichen Umweltsiegeln mit 7,5 Prozent im Jahr 2018 weit unter der vorgegebenen Zielmarke von 34 Prozent bis zum Jahr 2030“, sagt Büttgen. Außerdem mangele es an einem umfassenden System von Indikatoren, um den Fortschritt der Umsetzung zu messen, insbesondere auch des Nachhaltigkeitsbewusstseins und der Kompetenzen für nachhaltiges Handeln in Produktion und Konsum.
Hier müsse ein Konzept erarbeitet werden, welches Erfolge und Misserfolge präzise erfasst und sicherstellt, damit die Bemühungen aller Akteurinnen und Akteure in dieselbe Richtung gehen. Liedtke ergänzt: „Zielkonflikte müssen frühzeitig erkannt und adressiert werden. Gegenläufige Entwicklungen sollten schnellstmöglich aufgelöst beziehungsweise in offenen gesellschaftlichen Diskursen Prioritäten festgelegt werden. Nur darüber können die Grundlagen für den Erfolg gelegt werden.“
Download: Der Zukunftsimpuls „Zehn Botschaften zu SDG 12 ‚Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster‘ – Wie wir Nachhaltigkeit in Produktion und Konsum umsetzen können – Vorschläge an Gesellschaft, Politik und Wirtschaft“ steht zum Download unter https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/7536 bereit.