Stresstest-Modell zeigt Klimarisiken der Banken

Die Banken müssen sich auf aufgrund des Klimawandels auf Risiken in ihren Bilanzen einstellen. Bild: iStockphoto.com/ jotily

Europäische Banken müssen künftig auch Risiken aufgrund des Klimawandels in die Stresstests zu ihrem Eigenkapital einbeziehen. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) haben dafür in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) eine neue Methode entwickelt. In einer Fallstudie haben sie mit diesem Stresstest mehrere Szenarien einer CO2-Bepreisung analysiert. Aufgrund von stark erhöhten Kreditausfall-Wahrscheinlichkeiten mehrerer Branchen müsste sich die untersuchte Bank auf deutlich sinkende Eigenkapitalquoten einstellen. Das Modell kann Banken helfen, sich auf künftige Risiken vorzubereiten.

Der Klimawandel kann Unternehmen viel Vermögen kosten, nicht nur durch unmittelbare Schäden wie bei Unwettern, sondern auch durch sogenannte transitorische Risiken, vor allem steigende CO2-Preise und langfristig niedrigere Wertschöpfung. Dies bedeutet auch für die Banken höhere Risiken, wenn Unternehmen ihre Kredite nicht mehr tilgen können.

Die Europäische Zentralbank und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde haben deshalb die Banken verpflichtet, ab 2022 Klimarisiken in ihr Risikomanagement und ihre Stresstests, die vor allem die Ausstattung der Banken mit Eigenkapital prüfen, zu integrieren.

Unsicher ist aber noch, wie diese Forderung umgesetzt werden kann und welche Dimensionen transitorische Klimarisiken in Stresstests erreichen werden. Wirtschaftswissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) haben deshalb in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Institut für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) eine Methodik entwickelt, die für verschiedene Anwendungsfälle von Stresstests ausgestaltet werden kann, und haben sie in zwei Fallstudien auf eine Bank und zwei Fonds angewandt.

Fallstudie mit 400 Euro-STOXX-Unternehmen

Die Basis des Modells bilden eine Definition von transitorischen Klimarisiken, orientiert an anerkannten Prognosen wie den Shared Socioeconomic Pathways (SSP), daraus abgeleitete makroökonomische Analysen für Staaten und Branchen und der CO2-Fußabdruck von Unternehmen. Auf dieser Grundlage hat das Forschungsteam rund 400 Unternehmen untersucht, die im Aktienindex Euro STOXX 600 gelistet sind, und vier Szenarien errechnet, die sich durch verschiedene Werte bei der Bepreisung von CO2 (50 oder 100 Euro pro Tonne), bei der Fähigkeit der Unternehmen, CO2-Emissionen zu reduzieren sowie bei der Weitergabe der Kosten an die Verbraucher unterscheiden. Alle Szenarien gehen von einer abrupten Einführung einer Steuer auf CO2 aus.

Sektoren mit Ausfallrisiken zwischen 5 und 34 Prozent

Die Analyse zeigt, dass in allen Szenarien rund 10 Prozent der untersuchten Unternehmen eine Abwertung ihres Vermögens um mehr als 15 Prozent zu verzeichnen hätten, im ungünstigen Szenario hätten 6 Prozent der Unternehmen einen Vermögensverlust von mehr als 30 Prozent zu befürchten. Betrachtet man verschiedene Branchen, hätten die sechs am stärksten betroffenen Sektoren Vermögensabwertungen zwischen rund 15 Prozent und rund 36 Prozent zu erwarten.

Mit diesen Ergebnissen unterzogen die Forscher eine große europäische Bank einem Stresstest. Sie berechneten die aus den Vermögensverlusten resultierenden höheren Kreditausfall-Wahrscheinlichkeiten der Unternehmen. Im ungünstigsten Szenario hätten 16 Prozent der Unternehmen ein Ausfallrisiko von mehr als 3 Prozent, was als hohes Risiko gilt. Die sechs am stärksten betroffenen Sektoren hätten Ausfallrisiken zwischen rund 5 Prozent und rund 34 Prozent. Anhand der sogenannten risikogewichteten Aktiva der Bank bezogen auf diese Unternehmenskredite berechneten die Wissenschaftler die Auswirkungen auf das Eigenkapital der Bank.

Gesamtkapitalquote bis zu 1,6 Prozentpunkte reduziert

Der Stresstest zeigt, dass die Bank je nach Szenario mit einem Rückgang des sogenannten harten Kernkapitals (CET1) zwischen 0,1 und 1,2 Prozentpunkten rechnen müsste. Die Kernkapitalquote (Tier 1) würde zwischen 0,1 und 1,3 Prozentpunkten sinken, die Gesamtkapitalquote wäre zwischen 0,2 und 1,6 Prozentpunkten geschmälert. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Kernkapitalquote europäischer Banken lag Ende 2020 bei 15 Prozent, sodass die untersuchten Szenarien Rückgänge zwischen einem und fast zehn Prozent bedeuten würden.

„Der Stresstet unterstreicht, dass transitorische Klimarisiken ohne Maßnahmen zu ergreifen eine große Herausforderung für die Stabilität des Finanzsektors darstellen könnten“, sagt Studienautor Gunther Friedl, Professor für Controlling an der TUM. „Die von uns angewandten Modelle und Annahmen sind sicher recht streng – aber das ist ja auch der Sinn eines Stresstests. Der Klimawandel kann für einige Branchen so schwerwiegende Vermögensverluste und gefährliche Kreditausfall-Wahrscheinlichkeiten verursachen, dass die Banken heute ihr Risikomanagement anpassen sollten. Wenn dies geschieht, werden die errechneten Rückgänge der Kapitalquoten nicht eintreten. Deshalb haben wir ein Instrumentarium vorgeschlagen, mit dem Risiken berechnet werden können, um frühzeitig die richtigen Weichen zu stellen.“

Risiken für Fonds fallen unterschiedlich aus

In einem zweiten Stresstest berechnete das Forschungsteam die Auswirkungen der Vermögensabwertungen der Unternehmen auf einen Aktienfonds mit Euro-STOXX-600-Unternehmen und auf einen Mischfonds. Je nach Szenario müsste der Aktienfonds einen Verlust von 2,3 Prozent bis 9,1 Prozent hinnehmen, der Mischfonds einen Verlust von 1,2 Prozent bis 3,5 Prozent.

„Auch wenn die Folgen für die Fonds unterschiedlich ausfallen, zeigt der Stresstest insbesondere für den Aktienfond doch, dass Anlagemanagerinnen und -manager die Klimarisiken, die in ihren Portfolios stecken, sehr genau im Auge haben müssen“, sagt Co-Studienautor Sebastian Müller, Professor für Finance an der TUM.

Klimarisiken in etablierte Risikokategorien integrieren

„Mit dieser Studie wollen wir uns an die Spitze der Entwicklung stellen und für Praktiker wie Wissenschaftler wichtige Impulse zum Umgang mit Klimarisiken liefern“, erläutert der Vorstandsvorsitzende von FIRM, Gerold Grasshoff.

Ergänzend zu den Studienergebnissen haben Bankpraktiker von FIRM zusammen mit den Wissenschaftlern Empfehlungen für den Umgang mit Klimarisiken erarbeitet. Demnach sollten Finanzinstitute ein intensives Monitoring von Klimarisiken und deren wirtschaftlichen Interdependenzen etablieren. Dafür bräuchten die Banken deutlich mehr Daten über ihre Schuldner, beispielsweise über deren Ziele zum Abbau von CO2-Emissionen.

Da die Folgen des Klimawandels die gesamte Wirtschaft beträfen, sollte die Aufgabe, solche Daten verfügbar zu machen, nicht den Banken allein überlassen werden. Vielmehr sollten globale Standards zur einheitlichen Veröffentlichung von klimabezogenen Unternehmensdaten geschaffen werden.

Außerdem plädiert die Gruppe dafür, transitorische Klimarisiken in die etablierten Risikokategorien zum Management von Kreditrisiken aufzunehmen. Ein neu geschaffenes Risikomanagement eigens für Klimarisiken, wie es derzeit diskutiert wird, halten die Wissenschaftler wegen möglicher Überlappungen für ungeeignet.