Die Baden-Württemberg-Stiftung fördert ein interdisziplinäres Forschungsprojekt von Ulmer Forschenden aus der Ökologie, der Botanik und Mikrobiologie mit 600 000 Euro. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Ulm wollen herausfinden, welchen Einfluss die landwirtschaftliche Landnutzungsintensität auf das Zusammenleben von Mikroorganismen entlang der Nahrungskette hat. Untersucht wird konkret, wie sich die Düngung von Grünland auf das Mikrobiom in Flora, Fauna und Boden auswirkt.
Sie sind klein, unscheinbar und vielen Menschen nur als Krankheitserreger bekannt. Doch viele Mikroorganismen wie beispielsweise bestimmte Bodenbakterien leisten wertvolle Dienste für die Natur und Umwelt. Gerät das Mikrobiom – darunter versteht man die Gesamtheit aller Mikroorganismen – aus dem Gleichgewicht, kann dies auch die Gesundheit von Ökosystemen negativ beeinflussen.
Und dies birgt große Risiken für Mensch und Tier. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Ulm untersuchen nun in einem neuen Forschungsprojekt, wie sich die Intensität der landwirtschaftlichen Landnutzung auf die Gesundheitsfunktionen von Mikrobiomen auswirkt.
„Im Biosphärenreservat Schwäbische Alb wollen wir erforschen, wie die Düngung von Grünland die Zusammensetzung des Mikrobioms entlang der Nahrungskette beeinflusst“, erklärt Professorin Simone Sommer. Die Leiterin des Instituts für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik an der Universität Ulm koordiniert das Projekt, das von der Baden-Württemberg-Stiftung für drei Jahre mit 600 000 Euro gefördert wird.
Der Projektname IMPALA steht als Abkürzung für „Impact of agricultural land-use intensity on health functions of microbiomes along the trophic chain”. Analysiert werden für das Forschungsvorhaben die mikrobiellen Gemeinschaften von Bodenproben, Pflanzenwurzeln und Blüten. Aber auch die Mikrobiome in den Verdauungsorganen tierischer Erdbewohner wie Regenwürmer und Nagetiere sowie von Pflanzenfressern und bestäubenden Insekten wie Wildbienen werden untersucht. Wie beeinflusst die Düngung die mikrobielle Diversität entlang dieser Nahrungskette? Welche Folgen hat dies für die Artenvielfalt insgesamt in einem bestimmten Naturraum? Welche Landnutzungsformen helfen dabei, das Mikrobiom im Gleichgewicht zu halten?
Dabei gilt: Dünger ist nicht gleich Dünger. Gülle beispielsweise hat eine andere Wirkung als Biogasdigestat oder Mineraldünger. „Nicht nur die Nährstoffe des Düngers verändern die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Boden, sondern auch darin enthaltenen Mikroorganismen sowie mögliche Antibiotika-Rückstände aus der Tiermast und Milchviehhaltung, die in Kot und Urin zu finden sind, können das ökologische Gleichgewicht des Mikrobioms gefährden“, erläutert Professor Christian Riedel vom Institut für Mikrobiologie und Biotechnologie. Der Ulmer Forscher untersucht in diesem Projekt auch die Rolle von natürlich produzierten antimikrobiellen Peptiden, so genannten Bacteriocinen, die ebenfalls eine Rolle für das Zusammenspiel der Mikroorganismen unter der Erde spielen.
Ändert sich das mikrobielle Gleichgewicht im Boden, kann dies auch Folgen für die Pflanzenwelt und für die Tiere haben, die diese Pflanzen nutzen. Professorin Lena Wilfert vom Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik befasst sich im IMPALA-Projekt insbesondere mit der Frage, wie sich Veränderungen der mikrobiellen Besiedlung von Pflanzen im Verdauungstrakt von Wildbienen niederschlagen, während sich der Blick von Professor Patrick Schäfer vom Institut für Molekulare Botanik auf Veränderungen des Boden- und Pflanzenmikrobioms richtet.
„Schon jetzt ist bekannt, dass ein Überangebot an Nährstoffen die Artenvielfalt beeinträchtigen kann. Deshalb sind magere Grünlandflächen, sogenannte Magerrasen, für die Biodiversität so wichtig“, sind sich die Forschenden einig. Die ökologische Herausforderung besteht perspektivisch aber gerade auch darin, das mikrobiotische Gleichgewicht unter ungünstigen Umweltbedingungen in Balance zu halten.
Ein weiteres Ziel des Forschungsprojektes besteht darin, biotechnologische Strategien zu entwickeln, um die Zusammensetzung des Mikrobioms bei unterschiedlichen Landnutzungsformen positiv zu beeinflussen. Auch hieran arbeiten die Ulmer Biologinnen und Biologen vom IMPALA-Projekt gemeinsam mit Landwirten aus der Region, die Flächen für Experimente zur Verfügung stellen und mit den Forschenden eng zusammenarbeiten.