Wie sieht der Arbeitsalltag auf einem Forschungsschiff aus? Wie erhalten Meeresforschende ihre wertvollen Daten? Für diese und viele weitere Fragen haben zwölf Studierende des internationalen Masterstudiengangs „Klimawandel und Meereswissenschaften“ in Westafrika bald Antworten – und vermutlich viele neue Fragen. Unter Leitung des GEOMAR reisen die Studierenden auf dem Forschungsschiff MARIA S. MERIAN von Mindelo auf Cabo Verde nach Bremerhaven in Deutschland. Damit startet nach mehrjähriger Vorbereitung endlich die erste „Schwimmende Universität“ im Rahmen des internationalen WASCAL-Programms.
Nach zwei Jahren Pandemie geht es endlich los: Etliche Monate der Vorbereitung und Planung liegen hinter den Teilnehmenden der Expedition MSM106 mit dem deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN. Nun stechen zwölf Studierende aus Westafrika von Mindelo auf Cabo Verde aus zur ersten „Schwimmenden Universität“ in See.
Auf ihrem Weg durch den tropischen Nordostatlantik und weiter bis nach Bremerhaven bearbeiten sie viele wissenschaftliche Fragestellungen. An Bord werden sie unterstützt von neun Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Thünen-Instituts für Seefischerei aus Bremerhaven sowie des Instituto do Mar (IMar) und der Universidade Técnica do Atlântico (UTA) aus Cabo Verde.
Primäres Ziel ist die akademische Ausbildung von westafrikanischen Masterstudierenden im Studiengang „Klimawandel und Meereswissenschaften“ während einer Forschungsexpedition. Dazu werden Vorlesungen zur Theorie mit praktischem Training zu klassischen ozeanographischen Methoden kombiniert.
Die Reise findet im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kompetenzzentrum zur wissenschaftlichen Unterstützung des Kampfes gegen den Klimawandel und des anpassungsfähigen Landmanagements im westlichen Afrika (West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use, WASCAL) statt. Eine Live-Schaltung an Bord der „Schwimmenden Universität“ im März trägt außerdem zum Aktions-Schwerpunkt der Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen „Ein gesunder und widerstandsfähiger Ozean“ bei.
Welche Temperatur hat das Wasser von der Oberfläche bis in die Tiefe?
Mit welchen Geräten wird sie gemessen? Wie verhält sich Zooplankton im Wechsel von Tag und Nacht? Und wie sammeln Meeresforschende Mikroplastik aus dem Ozean? An diesen und vielen weiteren Fragen, die sich mit dem Ozean und der Atmosphäre zu Zeiten eines auch in Westafrika deutlich voranschreitenden Klimawandels beschäftigen, arbeiten die angehenden und erfahreneren Forschenden zusammen.
Die während der Fahrt gewonnenen Daten werden sowohl direkt für Lehr- und Trainingszwecke als auch für weitere wissenschaftliche Auswertungen verwendet. So werden die Verschmutzung des Ozeans durch Mikroplastik in der Region untersucht und Langzeit-Messreihen zur Erforschung der Ozeanversauerung fortgeführt.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Untersuchung mariner Nahrungsnetze vom kleinen Plankton bis hin zu Fischen: Gesunde marine Ökosysteme stellen eine wichtige Lebensgrundlage für die Länder in Westafrika da. Während der Expedition lernen die Studierenden daher, wie man Lebensgemeinschaften im Meer gezielt untersuchen und besser verstehen kann, um sie auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse nachhaltig zu bewirtschaften. Einige der afrikanischen Studierenden schließen nach ihrer Ankunft einen Forschungsaufenthalt in Deutschland an, um die frisch gewonnenen Proben zu bearbeiten und ihre Abschlussarbeiten anzufertigen.
„Durch das WASCAL-Programm bekommt die zukünftige Generation an Wissenschaftler:innen und Entscheidungsträger:innen neben der Ausbildung auch die Möglichkeit, sich international zu vernetzen“, betont Dr. Björn Fiedler, Meereschemiker am GEOMAR und Leiter der „Schwimmenden Universität“. „Der Druck des Klimawandels auf den Ozean ist enorm, und er findet global statt. Also müssen wir auch die internationale Zusammenarbeit stärken. Sowohl WASCAL als auch die Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung sind hierfür wichtige internationale Programme, die im Rahmen unserer Expedition an diesem gemeinsamen Ziel zusammenwirken.“
„Im Konzert der 16 vom BMBF finanzierten Graduiertenschulen in den elf WASCAL-Mitgliedsländern nimmt das meereskundliche Programm in Cabo Verde mit seiner ausgesprochen starken Anbindung an internationale Forschungsvorhaben und der unmittelbaren Einbindung der Studierenden eine besondere Stellung ein“, ergänzt Professor Dr. Arne Körtzinger, Projektleiter von WASCAL am GEOMAR. „Mit der Einwerbung von Schiffszeit auf einem großen deutschen Forschungsschiff ist es uns gelungen, die Ausbildung um die äußerst wertvolle und praxisnahe Komponente zu erweitern.“
GEOMAR-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes wünschte den Teilnehmenden der ersten „Schwimmenden Universität“ von Kiel aus eine erfolgreiche Expedition. „Ich freue mich, dass das praxisnahe Ausbildungsprogramm weiter Form annimmt und bin stolz auf die führende Rolle des GEOMAR in diesem Kontext. Der Region um Cabo Verde gilt seit Jahren unsere besondere Aufmerksamkeit, und ich hoffe, dass wir unsere Kooperation in der Erforschung des tropischen Nordostatlantiks weiter ausbauen können.“
Während der Fahrt berichten die Forschenden im Expeditionsblog unter https://www.oceanblogs.org/capeverde von ihren Erlebnissen. Zusätzlich halten sie auf den Twitter-Kanälen des GEOMAR sowie Facebook und Instagram unter den Hashtags #FloatingUniversity und #MSM106 alle Interessierten auf dem Laufenden.
Eine Live-Schaltung zur „Schwimmenden Universität“ in englischer Sprache ist als Beitrag zum Aktions-Schwerpunkt „Ein gesunder und widerstandsfähiger Ozean“ der Ozeandekade für Donnerstag, 10. März 2022, 16:00-17:00 Uhr (MEZ) geplant. Weitere Informationen: https://www.geomar.de/en/discover/ocean-decade/floating-university