Eine Fläche – zweifache Nutzung: Die sogenannte „Agri-Photovoltaik“ bietet die Chance, auf landwirtschaftlichen Flächen gleichzeitig Nahrungsmittel und Solarstrom zu produzieren. Die Bundesregierung will Agri-PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen künftig über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fördern und greift damit eine zentrale Forderung aus dem Themensteckbrief der Arbeitsgruppe Agri-Photovoltaik auf.
Nun sollte die Bundesregierung auch die notwendige Begleitforschung fördern, damit das Potential der innovativen Technologie noch weiter ausgenutzt werden könne, so die Forscherinnen und Forscher. Dazu schlagen sie eine Kombination von Feldforschung und Agri-PV-Modellprojekten als sogenannten „Living Labs“ vor. Bei ihren Einschätzungen stützt sich die Arbeitsgruppe auf die Expertise eines Netzwerkes mit 16 Mitgliedern, darunter die Uni Hohenheim in Stuttgart und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE.
Der vollständige Themensteckbrief ist abrufbar unter https://www.uni-hohenheim.de/uploads/media/Themensteckbrief_Agri-PV.pdf
Vier Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland würden ausreichen, um den gesamten Strombedarf des Landes zu decken. So lautet die Hochrechnung in dem aktuellen Themensteckbrief der Arbeitsgruppe Agri-Photovoltaik. Gleichzeitig kann auf diesen Flächen auch noch eine Ernte eingefahren werden.
„Agri-Photovoltaik“ nennt sich der Ansatz, bei dem Solarmodule auf Stelzen montiert werden, neben oder unter denen weiterhin Landwirtschaft betrieben wird. Für landwirtschaftliche Betriebe bedeutet die Strom-Produktion eine wertvolle Zusatzeinnahme. Ein weiterer Vorteil neben der doppelten Ernte: Die Anlagen können Kulturpflanzen vor zunehmenden Extrem-Wetterereignissen wie Starkregen oder Hagel schützen.
Feldversuche belegen das Potential der doppelten Landnutzung
Dass das Konzept funktioniert, zeigen die 2021 abgeschlossenen Versuche der Universität Hohenheim und des Fraunhofer ISE. Auf einer Versuchsfläche am Bodensee untersuchten die Forschenden die Auswirkungen einer Agri-PV-Anlage auf die Kulturen Kartoffel, Sellerie, Kleegras und Weizen.
Das Ergebnis: eine durchschnittliche Landnutzung von 160 %. Statt je 100 % Weizen und 100 % Solarstrom auf zwei getrennten Feldern, ermöglicht Agri-PV in unserer Klimazone auf der gleichen Fläche eine Produktion von etwa 80 % Weizen und 80 % Solarstrom.
In warmen und trockenen Jahren begünstigte der Schatten der PV-Anlagen sogar den Pflanzenwuchs. 2018 stieg der Weizenertrag auf dem Versuchsfeld um 3 %, der Ertrag von Kartoffeln sogar um 11 %.
Volles Potential der Anlagen bisher nicht umfassend erforscht
Die positiven Erkenntnisse bei diesen Beispiel-Pflanzen legen nah, dass sich das Potential der Agri-Photovoltaik durch detailliertere Forschung noch effizienter heben ließe.
„Eine spannende Frage ist, durch welche Pflanzen sich das Potential der Agri-PV-Felder besonders weit ausreizen lässt. Gleichzeitig müssen wir untersuchen, wie die Anlagen die Biodiversität auf den Feldern beeinflussen und welche Maßnahmen gegebenenfalls zu ergreifen sind“, sagt Lisa Pataczek, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum Ökologischer Landbau der Universität Hohenheim.
Ein weiterer Aspekt: „Manche Anlagen können Pflanzen zudem vor starker Sonne oder Regen schützen. Durch weitere Forschung können wir herausfinden, wie man die Anlagen wirtschaftlich und ökologisch am besten einsetzen kann.“
Modellforschung ist eine Chance für nachhaltiges Förderprogramm
Jun.-Prof. Dr. Andreas Schweiger, Leiter des Fachgebiets Pflanzenökologie an der Universität Hohenheim, ergänzt: „Die angekündigte Solar-Offensive der Bundesregierung ist ein wichtiger Schritt und greift eine unserer zentralen Forderungen auf. Um die Anlagen in Zukunft effizient und nachhaltig laufen zu lassen, wäre nun eine intensive Begleitforschung mehr als ratsam.“
Ideal wäre eine Kombination von Feldforschung und Modellprojekten, so der Pflanzenökologe der Universität Hohenheim: „Solche sogenannten „Living Labs“ wären ideal, um zum Beispiel Bedingungen an verschiedenen Standorten in Deutschland zu testen.“
Aus den Ergebnissen könnten im nächsten Schritt Empfehlungen für ein differenziertes Förderprogramm abgeleitet werden, um die Anlagen bestmöglich in die Praxis zu überführen.
Ein solches wissenschaftlich fundiertes Förderprogramm sei ein wichtiger Schritt, findet auch Max Trommsdorff, Gruppenleiter Agri-Photovoltaik am Fraunhofer ISE: „Durch eine pauschale Förderung würden unterschiedliche Systeme miteinander konkurrieren. Die besonders flächeneffizienten hoch aufgeständerten Anlagen-Typen sind allerdings aktuell noch auf eine höhere Förderung angewiesen.“ Eine differenzierte Förderung der unterschiedlichen Anlagen würde sicherstellen, dass die Technologie ihr volles Potenzial entfaltet.