Essbare Stadt: Berliner Gärten decken den Gemüsebedarf von 50.0000 Menschen

Wie viel Gemüse produzieren Berliner Gärten? Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Berlin 2022 (CC BY-ND)

Etwa 7.600 Tonnen frisches Gemüse, Kartoffeln und Kräuter werden in Berliner Gärten pro Jahr geerntet, hat das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) im Projekt „GartenLeistungen“ hochgerechnet. Damit decken die Gemeinschafts- und Kleingärten sowie Mietäcker jährlich den Bedarf von etwa 50.000 Personen. Noch wertvoller als das lokal produzierte Gemüse eines urbanen Gartens sind jedoch seine sozialen und kulturellen Leistungen. Das zeigen die Forschenden am Beispiel des Weddinger Gemeinschaftsgartens Himmelbeet: Als nachbarschaftlicher Treffpunkt mit kulturellen Angeboten und als naturnaher Erholungsraum stiftet der Garten einen gesellschaftlichen Nutzen von 1,5 Millionen Euro jährlich.

In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt forschen vier wissenschaftliche Institute gemeinsam mit Akteuren aus Gärten, Parks und aus der Verwaltung. Mit der umweltökonomischen Bewertung wollen die Forschenden die hohe Wertschätzung der Bevölkerung für öffentliches Grün transparent machen, erklärt Projektleiter Professor Jesko Hirschfeld vom IÖW: „Indem wir die Leistungen von Grünflächen abbilden und mit einem Geldwert beziffern, wollen wir sichtbar machen, wie stark die Menschen in der Stadt von Gärten und Parks profitieren. Denn leider geraten besonders Gemeinschafts- und Kleingärten in Stadtplanungsprozessen oft unter Druck.“

Ein Paradebeispiel dafür ist im Berliner Wedding zu finden: Das Gartenprojekt „Himmelbeet“ bangte jahrelang um seinen Standort und erhielt erst kurz vor der Räumung Ende 2021 eine Zusage für die neue Fläche an der Ecke Garten-/Grenzstraße. „Der Umzug mit über 300 Hochbeeten, Pflanzen, Materialien und vor allem mit dem Café-Gebäude ist eine große Herausforderung. Für uns und sicherlich auch für die Verwaltung ist vieles neu“, sagt Marion De Simone vom Himmelbeet. „Wir hoffen, dass wir noch im Frühling mit dem Aufbau starten können und freuen uns auf die kommende Saison.“

Urbane Gärten: Hier blüht die Nachbarschaft auf

Im Interesse ihrer Bürger sollten Städte keine Mühe scheuen, urbane Gärten zu unterstützen, empfehlen die Forschenden: Als Erholungs- und Lernorte, als soziale und interkulturelle Treffpunkte bereichern und prägen sie die Nachbarschaft. Mit einer repräsentativen Umfrage in Berlin und Stuttgart hat das Projekt GartenLeistungen untersucht, welche Angebote als besonders wertvoll empfunden werden.

Etwa die Hälfte der Stadtbewohnern besucht regelmäßig oder hin und wieder urbane Gärten – vor allem um die Natur zu genießen, sich zu erholen und Zeit miteinander zu verbringen. Eine ruhige Atmosphäre, eine große Vielfalt an Pflanzen und Tieren und die Nähe zum Wohnort – das wünschen sich zwei Drittel der Befragten für Gärten in ihrer Nachbarschaft. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden finden auch Umweltbildungsangebote und Gemeinschaftsaktivitäten wichtig.

Aus der Befragung konnte das IÖW ableiten, wie hoch der soziale und kulturelle Wert urbaner Gärten ausfällt: „Der Wert ist umso höher, je dichter die Nachbarschaft besiedelt ist. Am höchsten ist er, wenn der Garten außerdem naturnah gestaltet ist, Umweltbildung sowie kulturelle Events anbietet und häufig für Besucher*innen offensteht“, erklärt Umweltökonom Malte Welling (IÖW).

Zählt man die Wertschätzung der Anwohnenden rund um das Himmelbeet (Stand 2021) zusammen, ergibt sich ein Wert von etwa 1,5 Millionen Euro pro Jahr: So stark profitiert die Nachbarschaft von dem Garten und seinen vielen, überwiegend kostenlosen kulturellen Angeboten. In einer ähnlichen Größenordnung liegt auch der gesellschaftliche Beitrag, den die Kleingartenanlage Bornholm II in Pankow leistet.

Essbare Stadt: Gemüse im Wert von zehn Millionen Euro pro Saison

Insgesamt machen die Berliner Gärten rund 3,3 Prozent der Landesfläche aus. „Die reine Anbaufläche ist mit 140 Hektar etwa halb so groß wie das Tempelhofer Feld“, sagt Lea Kliem vom IÖW. „Wenn wir davon ausgehen, dass die Hobbygärtner*innen einen kleinen bis mittelgroßen Ertrag erreichen, kommen wir auf 7.600 Tonnen Gemüse, Kartoffeln und Kräuter pro Gartensaison.“ Genug also, um jede dritte Kreuzberger*in oder den gesamten Ortsteil Alt-Hohenschönhausen ein Jahr lang zu versorgen. Auf dem Markt wären diese Lebensmittel etwa zehn Millionen Euro wert.

Mit vertikalen Gärten könnte die „essbare Stadt“ sogar noch mehr Lebensmittel lokal und klimafreundlich produzieren. In einem der Reallabore des Projektes GartenLeistungen baute die TU Berlin Prototypen für solche Anlagen: Die Salatpflanzen wachsen übereinander in Säulengestellen und werden mit gereinigtem Regen- oder Grauwasser versorgt. Pro Saison deckt die Anlage auf nur zwei Quadratmetern den Salat-Bedarf von 28 Personen.

„Die urbane Nahrungsmittelproduktion hat mit Vertikalgärten im wahrsten Sinne des Wortes noch Luft nach oben. Trotz solcher Ideen für platzsparendes Gärtnern sollten Städte eher mehr als weniger Fläche für Gärten bereitstellen“, fordert Kliem mit Blick auf die Lebensqualität und eine intakte Stadtnatur.