Der Bau von Wohnungen und anderen Gebäuden ist schlecht fürs Klima. Sowohl der Bau als auch die Nutzung von Gebäuden ist sehr CO2-intensiv. Aktuelle Studien zeigen, dass 40 bis 50 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes in Deutschland darauf entfallen. Wie sich der CO2-Bedarf bei Neubauten senken lässt, soll ein Forschungsprojekt an der Fachhochschule (FH) Kiel mit Partnern aus der Bauwirtschaft ermitteln.
Sanierungsbedürftiger Altbestand sowie der Bedarf an neuen Wohnungen lassen die Bauwirtschaft in Schleswig-Holstein boomen. Aktuellen Prognosen zufolge wird in den kommenden Jahren voraussichtlich zwei bis drei Millionen Kubikmeter umbauter Raum entstehen. Dieser Bauboom hat jedoch einen Nachteil: Er ist schlecht für die CO2-Bilanz.
Die konventionelle Massivbauweise verbraucht etwa 110 bis 140 Kilogramm des Gases je Kubikmeter. „Das ist viel“, betont Professor Dr. Stephan Görtz vom Institut für Bauwesen der FH Kiel, „vor allem, wenn man bedenkt, dass je Kubikmeter Neubauvolumen lediglich rund 35 Kilogramm CO2 zur Verfügung stehen, wenn man das Deutschland zustehende Kohlendioxid-Restbudget von rund vier Gigatonnen nicht überschreiten will.“ Dieses Restbudget beschreibt die maximal bis 2050 verfügbare Menge an CO2, die Deutschland zusteht, wenn die globale Erwärmung um 1,5 Grad Celsius begrenzt werden soll.
Beim Bau neuer Gebäude müsste der Verbrauch des Klimagases also um mindestens 75 Prozent sinken. Die verstärkte Nutzung regenerativer Energien beim Bau ist ein wichtiger Einflussfaktor, wird aber nicht ausreichen. Auch bautechnische Veränderungen sind erforderlich. Welche das sein könnten, möchte die Forschungsgruppe um Görtz herausfinden. Zunächst will sie die CO2-Verbräuche beim Bau typischer Hochbaukonstruktionen ermitteln. So ließen sich Bauvorhaben optimaler planen. Am Ende sollen konkrete Vorschläge stehen, um den CO2-Bedarf bei Baumaßnahmen möglichst kostenneutral um mindestens 30 Prozent zu senken.
Studierende der FH Kiel haben in Voruntersuchungen bereits einige CO2-Treiber identifiziert und erste Optimierungsvorschläge skizziert. „Alleine durch die Reduktion des Betonvolumens beziehungsweise dem darin enthaltenen Zement können wir schon viel erreichen“, erläutert Dr.-Ing. Frauke Gerder-Rohkamm, Professorin für Green Building, die ebenfalls an dem Projekt beteiligt ist. „Ebenso muss der zukünftige Einsatz der in Schleswig-Holstein typischen Klinkerfassaden im Einzelfall kritisch analysiert werden. Diese sind zwar sehr haltbar, aber leider auch sehr CO2-intensiv in der Herstellung.“
Das Projekt, zu dessen Partner die Gebäudemanagement Schleswig-Holstein AöR (GMSH), das Planungsbüro bbp : architekten bdA, das Ingenieurbüro TREBES sowie KERSIG Immobilien zählen, wird von der Gesellschaft für Energie und Klimaschutz Schleswig-Holstein (EKSH) mit 150.00 Euro gefördert. „Für die Erreichung der Klimaziele stellt die sogenannte graue Energie im Gebäudesektor eine enorme Herausforderung dar“, sagt EKSH-Projektleiter Dr. Thies Rasmus Popp und bezieht sich damit auf die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung benötige Energie. „Dieser können wir uns jetzt annehmen.
Zudem bietet das klare Projektziel der Reduktion des CO2-Bedarfs von Hochbauwerken auch die Chance, den Forschungsstandort Kiel im Bausektor noch stärker zu etablieren. Durch den entstehenden Wissenstransfer zwischen Hochschule und Unternehmen lassen sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse sofort praktisch umsetzen“, betont Popp weiter.
Dass die Ergebnisse in Zukunft auch umgesetzt werden, garantiert die Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wohn- und Bauwirtschaft. Die GMSH ist von der Wichtigkeit des Projekts überzeugt. „Die Entwicklung hin zu klimaneutralen Immobilien von Bund und Land hat für uns als verantwortliche Stelle für öffentliches Bauen in Schleswig-Holstein höchste Priorität. Um die Ziele zu erreichen, setzen wir die Bausteine für nachhaltiges Bauen in möglichst vielen konkreten Projekten um und erproben damit, wie eine rechtlich, technologisch und wirtschaftlich realistische Umsetzung der Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden kann“, sagt Frank Eisoldt, GMSH-Geschäftsführer. Die Beteiligung an dem Projekt stelle einen wichtigen Schritt in diese Richtung dar, die die GMSH gemeinsam mit den Studierenden der FH Kiel gehe.