Fossile Brennstoffe im Namen des Klimaschutzes weiter verteuern, obwohl die Preise aufgrund des Ukraine-Kriegs und der dadurch ausgelösten Energiekrise ohnehin schon auf Rekordniveau gesprungen sind? In der Tat: Das Festhalten am Fahrplan für die CO₂-Bepreisung, derzeit etwa für Sprit in Deutschland 9 Cent je Liter, ist mit Blick auf den Wohlstand die richtige Strategie – sofern der Staat die entsprechenden Einnahmen weitgehend durch Steuersenkungen oder Transfers an die privaten Haushalte zurückverteilt. Dies ist das Ergebnis einer Studie unter Federführung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).
Ausgangspunkt der Studie ist die Annahme, dass die Energiekrise vorübergehend ist, also Teil der Schwankungen um einen langfristigen Preistrend. „Es ist ein politischer Reflex, dass bei Spitzenpreisen staatliche Abgaben antizyklisch angepasst werden sollten“, sagt Matthias Kalkuhl, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung und einer der Autoren. „Dieser Reflex äußert sich aktuell im Tankrabatt, der für Anfang Juni angekündigten vorübergehenden Mineralölsteuersenkung. Doch unsere wohlfahrtsökonomische Analyse liefert eine klare Empfehlung: Bei der CO₂-Bepreisung sollte die Regierung rasch das Klimageld einführen, das die steigenden Einnahmen gleichmäßig an die Bevölkerung zurückverteilt – und dann am Zeitpfad der Erhöhungen auch bei angespannter Marktlage festhalten.“
Für die Analyse verwendet das Forschungsteam ein auf die deutsche Wirtschaft kalibriertes sogenanntes DSGE-Gleichgewichtsmodell. Es wurde an der Universität Potsdam entwickelt, am Lehrstuhl von Maik Heinemann, ebenfalls ein Mitautor der Studie. Das Modell enthält unter anderem empirische Daten für die Preise und den Verbrauch fossiler Energien im Zeitraum 1996 und 2021. Und es bildet die beiden Kanäle ab, über die sich ein Energiepreisschock finanziell auf die privaten Haushalte auswirkt: auf der Ausgabenseite die Kosten etwa für Sprit und Heizen, auf der Einnahmenseite das Klimageld als Rückerstattung der Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung. Auf welchem dieser beiden Kanäle sich viel tut und wo eher wenig, hängt von der Art ab, wie die Politik mit dem Preisschock umgeht.
Im einen Extrem (reine „Emissionsorientierung“) senkt sie den CO₂-Preis so stark ab, dass sich Sprit und Heizung unterm Strich nur so moderat verteuern wie langfristig angekündigt. Motto: Den Job, Anreiz zum Einsparen fossiler Energien und damit zum Rückgang der Emissionen zu geben, erledigen ja gerade die Märkte. In diesem Fall müssen die Haushalte nicht mehr Geld ausgeben als geplant – aber sie bekommen weniger Klimageld als erwartet, weil ja die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung sinken. Im anderen Extrem (reine „Preisorientierung“) lässt die Politik unbeirrt den CO₂-Preis wie geplant steigen. Dann gibt’s auf der Ausgabenseite zwar unerwartet hohe Kosten, doch müsste das Klimageld dann auch nicht empfindlich gekürzt werden.
„Es zeigt sich, dass der Wohlstand nach einem Energiepreisschock am besten verteidigt wird bei CO₂-Bepreisung wie geplant plus Rückerstattung der Einnahmen“, berichtet MCC-Forscher Kalkuhl. Der Befund ist robust auch in allen Erweiterungen des Modells, etwa bezüglich der Flexibilität des Arbeitsmarkts oder der Verfügbarkeit fossilfreier Alternativen. „Auf dem Weg zur Klimaneutralität, also bei über die nächsten Jahrzehnte stark steigenden CO₂-Preisen, bedeutet das: Es ist künftig für die Menschen im Land bedeutsamer, dass das Klimageld verlässlich fließt, als was Sprit und Heizung gerade aktuell kosten.“