Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), die weltweit größte Organisation für den Austausch von Studierenden, Forschenden und Lehrenden, hat heute in Berlin seinen Jahresbericht 2021 vorgestellt und auf das laufende Jahr geblickt. Laut DAAD läutete 2021 die Normalisierung der akademischen Mobilität nach Corona ein, zugleich nahm der Einfluss der Geopolitik auf den wissenschaftlichen Austausch stark zu.
„Wir erleben derzeit rasante Veränderungen bei den Rahmenbedingungen für den weltweiten wissenschaftlichen Austausch: Dramatische geopolitische Verschiebungen wirken sich auf die Wissenschaft aus, allen voran der Krieg in der Ukraine. Zugleich bleiben die gemeinsamen Herausforderungen der Menschheit wie der Klimawandel und seine dramatischen Folgen, die zunehmende Ressourcenknappheit und die Frage der globalen Ernährungssicherung bestehen und dringlich“, so DAAD-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee bei der Vorstellung des Jahresberichts in Berlin.
Die Außenwissenschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland müsse sich daher weiterentwickeln, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Der DAAD habe Ende vergangenen Jahres die Entwicklung einer Außenwissenschafts-Realpolitik angemahnt, die wertebasiert, interessegeleitet, partnerschaftlich ausgerichtet, europäisch eingebettet und geopolitisch sensibel sein sollte. Zu einer solchen Weiterentwicklung werde der DAAD beitragen.
Afghanistan und Ukraine prägende Themen
Im vergangenen Jahr sei die Arbeit des DAAD stark von der Krisenbearbeitung, insbesondere zu Afghanistan, geprägt gewesen. Für bedrohte afghanische Akademikerinnen und Akademiker seien Schutzprogramme wie das ‚Hilde Domin-Programm‘ ausgebaut worden. Aktuell stehe die Ukraine im Fokus der Arbeit. „Wir stellen uns seit dem 24. Februar der Realität eines Angriffskriegs in Europa und haben zeitnah Hilfe für ukrainische Studierende und Forschende auf den Weg gebracht. Wir unterstützen die Sanktionierung und Isolierung des russischen Staates in der Wissenschaft, stehen aber auch für weltoffene Hochschulen ein, an denen niemand aufgrund seiner Nationalität oder Herkunft diskriminiert wird.“ Der DAAD habe für geflüchtete Studierende und Forschende die ‚Nationale Akademische Kontaktstelle Ukraine‘ aufgebaut. Zudem gehe man davon aus, dass die Bundesregierung weitere Elemente eines Unterstützungsprogramms für die Ukraine finanziell angemessen ausstatten werde, so der DAAD-Präsident.
Normalisierung der akademischen Mobilität nach Corona
„Das Jahr 2021 ist zudem vom Wiederanstieg der internationalen akademischen Mobilität geprägt. Für den Studienstandort Deutschland konnten wir erfreulicherweise feststellen, dass die Zahl internationaler Studierender in beiden Pandemiejahren weiter gewachsen ist, auf zuletzt rund 325.000. Deutschland bleibt also als Studienstandort sehr beliebt und liegt international auf Rang 4 nach den USA, dem Vereinigten Königreich und Australien. Das große Engagement unserer Mitgliedshochschulen und Studierendenschaften sowie die durchdachte Einreisepolitik für internationale Studierende während der Corona-Pandemie haben maßgeblich zu den guten Zahlen beigetragen. Wir erwarten, dass dieses Wachstum auch im Jahr 2022 anhält“, so der DAAD-Präsident. Man gehe für das laufende Jahr von 330.000 bis 350.000 internationalen Studierenden an den Hochschulen in Deutschland aus.
DAAD-Förderungen mit klaren Zuwächsen
„Auch für die DAAD-Programme und das Erasmus-Programm war 2021 das Jahr der Rückkehr der akademischen Mobilität“, ergänzte DAAD-Generalsekretär Dr. Kai Sicks. „Die Zahl aller DAAD-Geförderten ist im vergangenen Jahr wieder auf rund 135.000 Personen gestiegen. Das ist nach den Rückgängen im Corona-Jahr 2020 ein sehr willkommener Zuwachs von 22 Prozent. Zudem sehen wir eine große Zunahme beim virtuellen Austausch: Allein in der DAAD-Projektförderung gab es rund 30.000 Teilnehmende in Online-Formaten.“ Besonders erfreut sei man über die Steigerungen bei Geförderten aus dem Ausland: Im Jahr 2021 unterstützte der DAAD rund 75.000 internationale Studierende und Forschende bei einem wissenschaftlichen Aufenthalt in Deutschland – ein Anstieg von 52 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im EU-Programm Erasmus+ erhielten 2021 rund 34.000 deutsche Studierende eine Förderung für einen Auslandsaufenthalt, damit liegt die Zahl bereits wieder bei 80 Prozent des Vor-Corona-Levels. „Bei den Erasmus-Anträgen für 2022 liegen wir bereits 20 Prozent über dem Level von 2019, der Wunsch nach Auslandsaufenthalten in der EU ist also ungebrochen groß“, so Sicks weiter.
Erweiterung des DAAD-Netzwerks und neue Programme
Auch das Netzwerk der DAAD-Außenstellen ist im Jahr 2021 weiter gewachsen. „Wir konnten in Kolumbien und Jordanien zwei neue Büros feierlich eröffnen“, so Kai Sicks. Die Außenstellen seien Knotenpunkte für den Austausch zwischen den Hochschul- und Wissenschaftssystemen beider Länder mit Deutschland. Zugleich nehme die Bedeutung der Außenstellen gerade in Krisenzeiten als verlässliche Informationsgeber mit großer regionaler Expertise zu. Darüber hinaus konnte der DAAD 2021 Programme zu wichtigen Themen wie der Klimakrise oder den UN-Nachhaltigkeitszielen neu aufsetzen oder erweitern. Zwei zusätzliche DAAD-Fachzentren mit Fokus Ressourcenmanagement und Ernährungssicherheit tragen zu einer verstärkten Förderung bei der Modernisierung der Hochschulbildung in den Ländern Afrikas bei. Mit dem ebenfalls im Jahr 2021 gestarteten Forschungsstipendienprogramm „German Colonial Rule“ unterstützt der DAAD die Aufarbeitung von Unterdrückung und Ausbeutung während der deutschen Kolonialzeit.
Mitarbeitende, Gesamthaushalt und Alumni
2021 waren in der Bonner DAAD-Zentrale, dem Berliner Hauptstadtbüro und weltweit rund 1.150 Beschäftigte tätig. Der Gesamthaushalt betrug knapp 635 Millionen Euro. Seit 1950 hat der DAAD inzwischen über 1,6 Millionen Menschen aus Deutschland und rund 1,1 Millionen Menschen aus dem Ausland bei wissenschaftlichen Aufenthalten gefördert.