Zwar werden Steuern und Steuerpolitik in der öffentlichen Wahrnehmung eher als Themen für Fachleute wahrgenommen, doch haben sie unmittelbare Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt – auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Gerade die Verknüpfung von ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Lösungsansätzen steht im Mittelpunkt des neuen Bachelorstudiengangs „Sustainability in Business and Economics“ der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU). Er vermittelt Expertise auch an Absolventinnen und Absolventen, die künftige Steuerpolitik mitgestalten oder etwa Unternehmen zu steuerlichen Aspekten beraten wollen.
Zum Dozierendenteam gehört unter anderem Prof. Dr. Reinald Koch, der an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt (WFI) der KU den Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre innehat. „Nachhaltigkeit in steuerlicher Hinsicht bedeutet auch, Unternehmen krisenfest zu machen“, betont Koch. So hat sich der Wissenschaftler zusammen mit seiner Kollegin Prof. Dr. Dominika Langenmayr damit beschäftigt, welche steuerlichen Maßnahmen Unternehmen in der langwährenden Coronakrise dabei helfen, um liquide zu bleiben und auch weiterhin Luft für Investitionen zu haben.
Verlustrücktrag als Instrument der Steuerung
Als ein Instrument haben sie dabei den sogenannte Verlustrücktrag identifiziert. Generell haben Unternehmen schon länger die Möglichkeit, Verluste mit Gewinnen des Vorjahres zu verrechnen. Zu viel gezahlte Steuern auf diese Gewinne wurden dann erstattet. Dieser sogenannte Verlustrücktrag war jedoch auf eine Millionen Euro gedeckelt. Die Beschränkung auf Gewinne des Vorjahres hat jedoch zur Folge, dass ein ohnehin geschwächtes Unternehmen keine Verluste geltend machen könnte, wenn es im Verlauf der Krise weiterhin keine Gewinne erwirtschaftet hat.
Koch und Langenmayr haben simuliert, welche Wirkung es hätte, wenn Unternehmen auch weiter zurückliegende Gewinne mit Verlusten verrechnen lassen können, die vor Corona erwirtschaftet wurden, bzw. die Summe des möglichen Verlustrücktrages erhöht wird. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die sogenannten „Wirtschaftsweisen“, haben darauf Bezug genommen.
„Auch jenseits der Krise kann der Verlustrücktrag ein Instrument sein, das Anreize für Innovation bietet – im Hinblick auf Produkte und Dienstleistungen, die zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Auch andere steuerliche Instrumente zeigen hier Wirkung: Durch entsprechende Anreize sind die Zulassungszahlen für Dienstwagen mit Hybridantrieb oder Investitionen für klimafreundliche Infrastruktur angetrieben worden“, schildert Professor Koch. Generell seien Wirtschaft und Gesellschaft an einem Punkt angekommen, wo Konsens über die Notwendigkeit eines grundlegenden Umdenkens in Sachen Nachhaltigkeit bestehe.
Es geht um Gerechtigkeit, Fairness und Transparenz
Dabei gehe es auch um Fragen von Gerechtigkeit, Fairness und Transparenz. So habe die EU kürzlich einen Vorschlag veröffentlicht, der Unternehmen dazu verpflichten soll, ihre Steuerzahlungen und Wirtschaftstätigkeit länderweise zu veröffentlichen. „Hintergrund dieser Idee ist, dass die Öffentlichkeit aggressive Steuervermeidung von Unternehmen durch Konsum- und Investitionsentscheidungen sanktionieren und eine stärkere Transparenz somit zu einer gerechteren Verteilung der Unternehmenssteuerlast beitragen kann“, erläutert Koch.
Nachhaltigkeit im Bereich der Steuern bedeutet aber auch, den steuerlichen Rahmen effizient zu gestalten – für den Staat und die Unternehmen. Obwohl bereits einige Hindernisse für den Binnenmarkt in anderen Bereichen beseitigt wurden, ringen Unternehmen, die in der EU tätig sind, nach wie vor mit bis zu 27 verschiedenen nationalen Steuersystemen. „Der Flickenteppich aus nationalen Steuervorschriften verursacht unnötige Kosten für Unternehmen und erschwert grenzüberschreitende Investitionen im Binnenmarkt.
Dies gilt nicht nur für größere Unternehmen, sondern auch für kleine und mittelständische Firmen, Start-ups und andere Unternehmen, die wachsen, expandieren und grenzüberschreitend Handel treiben wollen“, so Koch. Gleichzeitig entstünden Schlupflöcher und eine Komplexität, die Möglichkeiten für aggressive Steuerplanung eröffnen und die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen behindern. „Politische Entscheidungen im Bereich der Unternehmensbesteuerung beeinflussen außerdem die Investitionsfreundlichkeit des Steuersystems.“
Langfristig will die Kommission bis 2023 einen neuen Rahmen für die Unternehmensbesteuerung vorlegen. Dieser steht unter dem Titel „Business in Europe: Framework for Income Taxation“ (BEFIT). Während Konzerne aktuell die Gewinne der einzelnen Tochtergesellschaften einzeln ermitteln und im jeweiligen Land versteuern, soll mit BEFIT der Konzerngewinn als Ganzes ermittelt und auf die einzelnen Länder nach einer Formel aufgeteilt werden. Als eine Folge müssten Unternehmen sich künftig nicht mehr mit 27 Steuersystemen in der EU auseinandersetzen, sondern nur noch einem entsprechen.
„Im Rahmen unseres neuen Studiengangs ,Sustainability in Business and Economics‘ ist es uns ein Anliegen, dass die Studierenden nicht nur das Handwerkszeug zum Verständnis der steuerlichen Regelungen erhalten, sondern insbesondere die komplexen Zusammenhänge durchdringen, um dann zu Lösungen für mehr Nachhaltigkeit beizutragen“, betont Professor Koch.
Eine Bewerbung für den zulassungsbeschränkten sechssemestrigen Bachelorstudiengang „Sustainability in Business and Economics“ ist noch bis 15. Juli möglich. Weitere Informationen finden sich unter http://www.ku.de/sbe.