Mit Algen aus Abwässern Dünger machen

Prof. Dr. Olaf Kruse forscht am Zentrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld zu Mikroalgen. Foto: Universität Bielefeld/S. Freitag

Wenn Landwirte ihre Felder düngen, versickert ein Teil des Düngemittels im Boden. Das belastet nicht nur das Grundwasser, auch wichtige Nährstoffe gehen verloren. Forschende der Universität Bielefeld und des Forschungszentrums Jülich untersuchen, wie sich diese Nährstoffe mit der Hilfe von Mikroalgen in den Düngekreislauf zurückführen lassen: Die mikroskopisch kleinen Algen nutzen Nährstoffreste in Abwässern, um zu wachsen – und können so selbst als Düngemittel verwendet werden.

Gemeinsam mit den Stadtwerken Lichtenau haben die Wissenschaftler eine Testanlage zur Algenproduktion an einer Kläranlage in Lichtenau aufgebaut. Das Land NRW fördert das Projekt BiNäA mit rund 413.000 Euro. Medienvertreter*innen sind eingeladen, die Testanlage am 23. Juni bei einem Pressetermin zu besichtigen.

„Die Idee unseres Projekts ist, mithilfe von Algen ein Kreislaufsystem zu errichten“, sagt Professor Dr. Olaf Kruse, wissenschaftlicher Direktor am Zentrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld. Er leitet die Arbeitsgruppe Algenbiotechnologie und Bioenergie und koordiniert BiNäA. „Wir versuchen, wichtige Nährstoffe zu recyceln und sie am Ende wieder als Düngemittel zu benutzen.“ BiNäA steht für „Biologischer Nährstofftransfer durch Mikroalgen“.

Pflanzen benötigen Nährstoffe wie Phosphor, Stickstoff und Kalium. Diese Elemente sind daher zentrale Bestandteile von Dünger. Weil aber ein Teil des Düngemittels im Boden versickert, gehen auch Nährstoffe verloren. „Es gibt zum Beispiel nur ein begrenztes Vorkommen an Phosphor. Bei solchen Stoffen ist es wichtig, möglichst nachhaltig mit ihnen umzugehen“, sagt Kruse. Auch Stickstoff ist ein Problem: Der Anteil, den die Pflanzen nicht verbrauchen, gelangt als Nitrat in das Grundwasser. Das kann negative Folgen für die Trinkwasserversorgung haben.

Mikroalgen lassen sich mit Nährstoffen anreichern

Algen sind in der Lage, Phosphor, Stickstoff und Kalium aus Abwässern zu verwerten. „Algen nutzen diese Stoffe, um zu wachsen – und das auf sehr nachhaltige Art und Weise: Sie brauchen außer einigen Mineralien nichts weiter als Sonnenlicht und Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre“, sagt Kruse. Im BiNäA-Projekt versuchen die Wissenschaftler*innen, Mikroalgen, die bereits im Abwasser vorhanden sind, möglichst effizient zu vermehren und mit Nährstoffen anzureichern. Die so gewonnene Algen-Biomasse lässt sich trocknen und als Düngemittel verwenden.

Ein besonderer Fokus des Projekts liegt auf der Nährstoffgewinnung aus Klärwasser: Abwasser, das die Reinigungsstufen der Kläranlage schon durchlaufen hat und wieder zurück in den natürlichen Wasserkreislauf geleitet werden soll. Dieses Wasser enthält noch sehr viel Phosphor und Stickstoff. Zusammen mit den Stadtwerken Lichtenau haben die Wissenschaftler eine Versuchsanlage neben der Kläranlage Altenautal in Lichtenau aufgebaut.

Algen helfen dabei, Abwasser besser zu filtern

In der Versuchsanlage wird das nährstoffreiche Wasser über eine geneigte Reaktorfläche geleitet, auf der dann ein natürlicher Algenteppich heranwächst. Die Algen binden Kohlendioxid aus der Luft und führen dem Wasser Sauerstoff zu. Somit produziert die Anlage nicht nur Algen, die Landwirte als Düngemittel verwenden können, sondern hilft auch dabei, das Abwasser zu filtern und die Wasserqualität zu verbessern.

„Wir sind immer daran interessiert, unsere Kläranlagen zu optimieren. Für die Zukunft können sich so neue Möglichkeiten der biologischen Abwasserreinigung ergeben“, sagt Henning Suchanek, der technische Betriebsleiter Abwasserversorgung bei den Stadtwerken Lichtenau. „Der Nährstofftransfer aus den städtischen Abwässern in die Landwirtschaft ist gerade im ländlichen Bereich wichtig.“

Die Stadtwerke Lichtenau haben die Testanlage angeschafft und kümmern sich um Wartungs- und Reparaturarbeiten. Solche Systeme zur Wasseraufreinigung mittels Algenteppich gibt es bereits weltweit, oft werden sie als Algal Turf Scrubber (ATS, Algenteppichsysteme) bezeichnet.

Algendünger oft besser als Mineraldünger

Von Anfang an waren Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich (FZJ) an dem Projekt BiNäA beteiligt. Sie unterstützen neben der Planung und dem Aufbau bei der Analyse von Algen-Biomasse und Nutzungskonzepten. „Wir forschen seit mehreren Jahren zum algenbasierten Nährstofftransfer vom Abwasser zur Kulturpflanze“, sagt Dr.-Ing. Diana Reinecke-Levi vom Bereich Pflanzenwissenschaften am Institut für Bio- und Geowissenschaften (IGB-2). „Unsere ATS-Anlagen zeichnen sich durch ihre einfache Handhabung, stabile Kultivierung, und geringere Kosten aus. Das macht sie für die dezentrale Abwasseraufbereitung und regionale Landwirtschaft so attraktiv.“

Die Versuchsanlage zur Algenproduktion ist neben der Kläranlage Lichtenau aufgebaut. Foto: Universität Bielefeld

Mit der Versuchsanlage in Lichtenau prüfen und optimieren die Forschenden im Projekt das Verfahren zur Nährstoffgewinnung. Die Biotechnologen vom Bielefelder CeBiTec untersuchen etwa, welche Algenarten dort heranwachsen und wie hoch der Anteil an Phosphor und Stickstoff ist. Wie der entstandene Algendünger im Vergleich abschneidet, testen die Wissenschaftler*innen am Jülicher IBG-2 derzeit an Weizenpflanzen. Erste Ergebnisse zeigen: Der Algendünger funktioniert – und zwar mindestens so gut wie herkömmlicher Mineraldünger, oft sogar besser. Darüber hinaus befasst sich das Projekt auch mit der Nachhaltigkeit des Algendüngers und erforscht, ob von ihm Risiken für Mensch und Umwelt ausgehen.

Enge Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren

Eine Besonderheit des BiNäA-Projekts ist die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler*innen und lokalen Akteuren. Neben den Stadtwerken Lichtenau sind mehrere Landwirte aus Ostwestfalen-Lippe als Projektpartner eingebunden. In einer weiteren Versuchsanlage wird das Verfahren für Abwässer getestet, die in landwirtschaftlichen Betrieben entstehen. „Das Ziel ist, ein möglichst einfaches und robustes Verfahren zu entwickeln, das die Rückgewinnung von Nährstoffen auf einer regionalen Ebene ermöglicht. Kommunen können so ihre eigenen Düngemittel produzieren“, sagt Kruse. Das Landesamt für Natur, Umwelt, und Verbraucherschutz NRW fördert BiNäA im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft EIP-Agrar. Das Projekt ist im März 2020 gestartet und läuft noch bis Dezember 2022.