Urbanisierung stellt eine der größten Bedrohungen für die Artenvielfalt dar. Wie genau sie sich auf die biologische Vielfalt und die Ökosystemdienstleistungen in tropischen Regionen des globalen Südens auswirkt, ist aber noch unklar. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universitäten Göttingen und Hohenheim hat nun gemeinsam mit der University of Agricultural Sciences of Bangalore in Indien die Auswirkungen der Urbanisierung auf Bienengemeinschaften in kleinbäuerlichen Betrieben in und um Bangalore untersucht – einer südindischen Stadt mit mehr als 13 Millionen Einwohnern.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass soziale Bienen, zum Beispiel wilde Honigbienen, stärker von der Urbanisierung betroffen waren als große Solitärbienen oder solche, die in Höhlen nisten, was im Widerspruch zu Ergebnissen aus gemäßigten Regionen steht. Einheimische blühende Pflanzen in der Nähe von Ackerland und eine Diversifizierung des Anbaus könnten dazu beitragen, soziale Bienenvölker zu erhalten. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Ecological Applications veröffentlicht.
In einer umfassenden Feldstudie über Bienen auf Gemüsefarmen in ländlicher und städtischer Umgebung erfassten die Forscherinnen und Forscher mehr als 26.000 einzelne Bienen, die zu 40 Arten gehören. Durch die Kombination der Daten mit der Fernerkundung per Satellit konnten sie feststellen, wie sich der Anteil versiegelter Flächen und Gebäude in Ballungsgebieten auf die Bienengemeinschaften auswirkt. Sie analysierten auch, wie die Bienenarten auf die Umgebungen reagierten, indem sie Bienen verglichen, die verschiedene Nistplätze nutzen und sich in ihrer Sozialität und Mobilität unterscheiden.
„Wir konnten nachweisen, dass die Art und Weise, wie die Bienen auf die Urbanisierung reagierten, von bestimmten Merkmalen abhing“, sagt Erstautor Gabriel Marcacci, Doktorand in der Arbeitsgruppe Funktionale Agrobiodiversität an der Universität Göttingen. „Zum Beispiel haben Bienen, die in Höhlen nisten, tatsächlich von der Urbanisierung profitiert, da sie in kleinen Rissen und Höhlen an Gebäuden nisten können. Außerdem haben wir herausgefunden, dass bodenbrütende Bienen, die normalerweise als Verlierer der Urbanisierung gelten, in tropischen Megastädten reichlich Nistmöglichkeiten finden, weil noch genügend nackter Boden vorhanden ist, vor allem in den weniger entwickelten Vierteln.“
„Unsere Ergebnisse unterscheiden sich zum Teil von dem, was in Städten in gemäßigten Regionen häufig zu finden ist“, erklärt Prof. Dr. Ingo Grass von der Universität Hohenheim. „Das zeigt, dass wir aus Feldstudien in Deutschland oder anderen Ländern des globalen Nordens nicht verallgemeinern können.“ Ein weiteres Ergebnis ist der starke Rückgang der sozialen Bienen mit der Verstädterung. „Dies ist besonders besorgniserregend, da in den Tropen soziale Bienen – wilde Honigbienen und stachellose Bienen – große Völker bilden und für die Bestäubung von Nutzpflanzen unerlässlich sind“, ergänzt der Göttinger Agrarökologe Prof. Dr. Teja Tscharntke.
Die Studie zeigt auch die positiven Auswirkungen auf Bienengemeinschaften durch landwirtschaftliche Bewirtschaftungspraktiken wie die Diversifizierung der Kulturen oder das Vorhandensein einheimischer Wildpflanzen in und um die Gemüsefelder. Prof. Dr. Catrin Westphal, Leiterin der Arbeitsgruppe Funktionale Agrobiodiversität der Universität Göttingen, fasst zusammen: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die urbane Landwirtschaft Bienengemeinschaften fördern kann, wenn sie auf nachhaltige Weise bewirtschaftet wird, und dass sie den Schutz von Wildbienen und die Nahrungsmittelproduktion in und um Städte herum unterstützen könnte.“
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