Solarenergie unterliegt keinen Lieferengpässen, ist günstig und CO₂-neutral. Um einen maximalen Energieertrag zu erzielen, werden Solaranlagen meist in Südausrichtung mit einem Neigungswinkel von 20 bis 35 Grad errichtet. Dadurch wird vorrangig im Sommer sowie mittags viel Strom erzeugt. In Zukunft sollen erneuerbare Energien fossile Brennstoffe vollständig ersetzen – eine große Herausforderung. Denn werden zukünftig weiterhin primär Solarmodule in Südausrichtung zugebaut, bedarf es zusätzlicher Stromspeicher, um tages- und jahreszeitabhängige Schwankungen abzufangen. In einer neuen Studie im Fachmagazin „Smart Energy“ zeigt ein Leipziger Forschungsteam: Sinnvoll wäre, künftig vorrangig bifaciale Solarmodule senkrecht zu installieren und dafür beispielsweise landwirtschaftliche Flächen zu nutzen.
„Bifaziale Solarmodule können Sonnenenergie von beiden Seiten nutzen. In Ost-West-Ausrichtung installiert, wird morgens und abends der meiste Strom erzeugt. Damit ließe sich der Bedarf an Stromspeichern reduzieren und gleichzeitig der Flächenbedarf für die Stromerzeugung geringhalten“, so Sophia Reker von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) und Erstautorin der Studie „Integration of vertical solar power plants into a future German energy system“. Ihre Argumentation stützen die Forschenden auf eine Simulation des deutschen Energiesystems mit der Software Energyplan.
Neues Gesetzespaket soll Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen
Um sich von Energieimporten unabhängig zu machen und den CO₂-Ausstoß zu verringern, hat der Bundestag Anfang Juli ein umfangreiches Gesetzespaket zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland beschlossen. Demnach soll der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Stromverbrauch von derzeit knapp unter 50 Prozent bis 2030 auf mindestens 80 Prozent gesteigert werden. Um das Ziel zu erreichen, sollen unter anderem die Rahmenbedingungen für neue Solaranlagen verbessert werden.
„Bifaziale Solarmodule sind zwar etwas teurer als konventionelle Solaranlagen. Aber da sie die Anzahl von Stunden mit verfügbarer Solarenergie erhöhen, werden andere Elektrizitätsbedarfe, beispielsweise in Gaskraftwerken, reduziert. Senkrecht installiert, können die Solaranlagen gut auf landwirtschaftlich genutzten Flächen errichtet werden. Das schafft zusätzliche Verdienstmöglichkeiten für Landwirtinnen und Landwirte und erhöht das Flächenpotenzial für erneuerbare Energien in Deutschland so sehr, dass wir nur in geringem Maße zusätzlich Energie importieren müssten“, so Jens Schneider, Professor für Vernetzte Energiesysteme an der HTWK Leipzig und Ko-Autor der Studie.
Auf landwirtschaftlichen Flächen installierte Solaranlagen können das Wachstum bestimmter Nutzpflanzen unterstützen, da sie die Pflanzen vor Wind und Hitze schützen. Direkt unter den Modulen sind Blühstreifen für mehr Biodiversität möglich. Durch das neue Gesetzespaket der Bundesregierung soll sogenannte Agri-Photovoltaik in Zukunft besonders gefördert werden.
Modellierung des Energiesystems im Jahr 2030 als Grundlage
Für ihre Studie haben Sophia Reker, Jens Schneider und Christoph Gerhards mit der Software Energyplan ein Energiesystem für Deutschland modelliert, welches entsprechend der deutschen Klimaschutzziele im Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 insgesamt 80 Prozent weniger CO₂-Ausstoß verursacht. Dafür nehmen die Forschenden einen Zubau von derzeit 64 auf 195 Gigawatt Windenergieleistung und von derzeit 58 auf 400 Gigawatt Sonnenenergieleistung an. Um diese installierte Leistung tatsächlich nutzen zu können, sind Stromspeicher nötig.
Die Forschenden zeigen in ihrer Studie auf, dass der Bedarf an Stromspeichern sinkt, wenn der Großteil der zugebauten Solarleistung vertikal in Ost-West-Ausrichtung installiert wird. So können beispielsweise in einem Szenario ohne zusätzliche Stromspeicher allein dadurch mehr als 10 Megatonnen CO₂ pro Jahr eingespart werden, dass 70 bis 90 Prozent der zugebauten Solarmodule nicht nach Süden geneigt, sondern in Ost-West-Ausrichtung vertikal installiert werden.