Nichts ist ohne Nebenwirkungen. Wenn in europäischen Wäldern weniger Holz eingeschlagen wird, um die biologische Vielfalt zu schützen, führt dies global betrachtet zu Verlagerungen, die negative Umweltauswirkungen haben können. Das hat eine modellbasierte Studie des Thünen-Instituts für Waldwirtschaft ergeben. Die biologische Vielfalt geht in besorgniserregendem Maße zurück. Um dem entgegenzuwirken, hat die EU-Kommission eine Biodiversitätsstrategie (EUBDS) vorgelegt, die drauf abzielt, die Biodiversität in der EU bis 2030 auf den Weg der Erholung zu bringen. Dazu sieht sie eine Reihe konkreter Maßnahmen und Verpflichtungen vor, unter anderem auch für die Wälder und den Bereich der Holznutzung.
Wie sich die Vorgaben der EUBDS auf die Produktion und den Handel mit Holz und Holzprodukten in der EU und in Nicht-EU-Ländern auswirken kann, hat ein Forschungsteam des Thünen-Instituts für Waldwirtschaft in Hamburg mithilfe einer Modellierung analysiert. Zwei verschiedene Umsetzungsszenarien wurden dort mit einem „Business-as-usual“ als Referenz verglichen. Das moderate Szenario unterstellt eine EUBDS-Umsetzung, die eine nachhaltige Forstwirtschaft in der EU nur mäßig einschränkt. Im intensiven Umsetzungsszenario hingegen trägt die Forstwirtschaft die Hauptlast im Vergleich zu den anderen Landnutzungsarten. Zudem werden dort auch die Interpretationsspielräume enger ausgelegt, beispielsweise darin, dass alle Wälder, die älter als die üblichen Nutzungsalter sind, als so genannte „Old growth forests“ angesehen und von einer weiteren Nutzung ausgeschlossen werden.
Im Referenzszenario, das von einer Bewirtschaftung der Wälder in der EU ohne einen erhöhten Biodiversitätsschutz ausgeht, liegt die maximale Rundholzproduktion im Jahr 2030 bei 539 Mio. m³. Bei Umsetzung der EUBDS-Maßnahmen läge die Produktion bei 490 Mio. m3 im moderaten Szenario und bei 281 Mio. m3 im intensiven Szenario – mithin ein Rückgang um 9 % bzw. 48 %. Bis 2050 ginge die Produktion noch weiter zurück und machte, je nach Szenario, nur noch 90 % bzw. 42 % der Referenzproduktion aus.
Der Rückgang der Rundholzproduktion in der EU würde zum Teil (etwa 50-60 %) durch eine steigende Produktion in Nicht-EU-Ländern (z. B. USA, Russland, Kanada, China und Brasilien) ausgeglichen. In der EU würde die geringere Verfügbarkeit von Rundholz dazu führen, dass weniger Schnittholz, Holzwerkstoffe und Zellstoff produziert werden. Allerdings würde der Verbrauch dieser Holzprodukte innerhalb der EU nicht spürbar sinken, weil es vor allem bei diesen Produktgruppen zu einem deutlichen Rückgang der Exporte und zu höheren Importen käme.
Der verbleibende und nicht durch andere Länder ausgeglichene Teil des Produktionsrückgangs in der EU (etwa 40-50 %) würde zu einer weltweiten Verringerung des Holzproduktion führen. Darin kann ein grundsätzlich positiver Effekt auf die Biodiversität auch in Nicht-EU-Ländern gesehen werden. Ob und inwieweit diese Verringerung der globalen Holzproduktion aber auch negative Umweltwirkungen hat, müsste in einem nächsten Schritt untersucht werden. Immerhin kann die verringerte Verfügbarkeit von Holzprodukten dazu führen, dass zunehmend energie-intensiver hergestellte Produkte aus z. B. Beton, Stahl oder Aluminium zum Einsatz kommen. Viele dieser Produkte haben, zumindest aktuell, eine schlechtere Klimabilanz als Holzprodukte, sodass der beabsichtigte Nutzen für die Biodiversität durch Nachteile in anderen Bereichen erkauft werden könnte.