Knapp die Hälfte der Menschen in Deutschland vertraut darauf, dass der Staat sie im Falle eines Unfalls in einem Atomkraftwerk schützen wird. Aufklärungsbedarf besteht dahingehend, wie sich die Bevölkerung bei einem möglichen AKW-Unfall verhalten soll. Das ist ein Ergebnis der Studie „Was denkt Deutschland über Strahlung?“, die das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gemeinsam in Berlin vorgestellt haben.
Die Ereignisse in der Ukraine zeigen, wie schnell das Risiko einer atomaren Bedrohung steigen kann. „Es ist unsere Pflicht, die Bevölkerung bestmöglich über Risiken und Schutzmaßnahmen zu informieren und Aufklärungsarbeit zu leisten“, sagt Christian Kühn, Parlamentarischer Staatssekretär im BMUV. „Wo Wissen fehlt, müssen wir die Lücken schließen.“
Bei der Umfrage im Auftrag des BfS sagten 63 Prozent der Bürgern, eine mögliche radioaktive Belastung durch Atomkraftwerke nach einem Unfall beunruhige sie sehr. BfS-Präsidentin Inge Paulini betont: „Uns haben in den ersten Wochen des Krieges viele Fragen erreicht. Oft wollten Menschen wissen, welche Schutzmaßnahmen in Deutschland bei einem Zwischenfall in der Ukraine ergriffen werden müssten.“ Die Studie ergab, dass nur zwei von zehn der Befragten wissen, wie sie sich bei einem möglichen Unfall in einem Atomkraftwerk verhalten sollten.
Paulini: Klarer Auftrag an Bund, Länder und Kommunen
In der Studie, die zum zweiten Mal nach 2019 stattfand, nennen die meisten der Befragten als wichtigste Informationsquelle im Falle eines nuklearen Notfalls das Internet, gefolgt von Fernsehen und Radio. An die öffentlichen Stellen in der Kommune, im Land oder auch an das BfS würden sich nur jeweils 13 Prozent der Befragten wenden. Paulini sieht als Resultat der Studie Handlungsbedarf auf mehreren Ebenen.
„Das ist ein klarer Auftrag an Bund, Länder und Kommunen, die eigenen Informationsangebote weiter zu verbessern.“ Außerdem fordert sie mehr Verzahnung des Katastrophenschutzes mit den Planungen für den radiologischen Notfall: „Vieles davon ist im Strahlenschutzgesetz von 2017 schon angelegt worden. Wenn nun der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz insbesondere infolge der Erfahrungen aus der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr und der Corona-Pandemie neu aufgestellt wird, muss auch der radiologische Notfall mitgedacht werden.“
Neben Atomkraft sind Mobilfunk- und UV-Strahlung besonders präsent
Zu den Strahlungsthemen, die in der Bevölkerung besonders präsent sind, zählen neben der Atomkraft und deren möglichen Auswirkungen die Mobilfunkstrahlung sowie die UV-Strahlung. Ein Großteil der Menschen (62 Prozent) kommt im Alltag nach eigenen Angaben am intensivsten über Mobilfunk mit dem Thema Strahlung in Berührung. Besorgnis ruft die Strahlung durch Mobilfunkgeräte und Mobilfunkmasten bei der Mehrheit eher nicht hervor. Obwohl unterhalb der Grenzwerte keine Gesundheitsschäden zu befürchten sind, äußern sich sieben beziehungsweise neun Prozent darüber sehr beunruhigt.
Beim Thema Sonne und UV-Strahlung kennen viele die Risiken: 78 Prozent der Befragten haben sich zum Thema Sonnenschutz informiert. Wissen und Verhalten fallen jedoch oft auseinander: Nur 46 Prozent der Menschen cremen sich zum Beispiel in der Sommersonne immer ein. Frauen schützen sich deutlich häufiger als Männer. Über den jeweils aktuellen UV-Index, der bei der Risikoeinschätzung hilft, informiert sich die Mehrheit der Leute nie – und das, obwohl die Hautkrebszahlen steigen. „Individueller Sonnenschutz und mehr Maßnahmen zum Schaffen von Schatten durch Bund, Länder und Kommunen sollten Hand in Hand gehen“, sagt Kühn.
Das Risiko durch Radon wird massiv unterschätzt
Radon wird im Vergleich zu allen anderen abgefragten Strahlungsrisiken am wenigsten als Gesundheitsrisiko eingeschätzt. Elf Prozent der Befragten wissen gar nicht, ob das radioaktive Gas überhaupt eine Gefahr darstellt. Dabei ist Radon nach dem Rauchen eine der wichtigsten Ursachen von Lungenkrebs. „Beim Edelgas Radon laufen Risiko und Risikoeinschätzung diametral auseinander“, fasst Parlamentarischer Staatssekretär Kühn zusammen. „Hier müssen wir verstärkt handeln und noch mehr Aufklärung leisten!“
Großes Vertrauen und unterschiedliche Risikowahrnehmung im Strahlenschutz
Insgesamt zeigt die Befragung, dass das Gefühl, in Sachen Strahlung vom Staat geschützt zu werden, gestiegen ist. Besonders ausgeprägt ist das in der Medizin: 82 Prozent der Befragten fühlen sich hier gut bis sehr gut geschützt – dieser Anteil war auch in der Vorgängerstudie von 2019 mit 70 Prozent schon sehr hoch. Auch das Gefühl der Informiertheit über Strahlung im Allgemeinen ist im Vergleich zu 2019 etwas gestiegen. Allerdings liegt es weiter auf einem niedrigen Niveau.
Paulini: „Die Studie zeigt, dass es in der Bevölkerung erhebliche Unterschiede bei der Wahrnehmung der einzelnen Strahlungsarten sowie ihres Risikopotenzials gibt. So passen u.a. bei Mobilfunk und UV-Strahlung die Risikowahrnehmung und das tatsächliche Risiko nicht zueinander. Dies begreifen wir als Auftrag an uns, dazu weiter intensiv zu informieren und aufzuklären und auch den Dialog mit den Bürger*innen zu suchen.“
Bund, Länder und Kommunen bieten Informationsangebote
Informationen zum Strahlenschutz allgemein sowie zum radiologischen Notfall sind auf den Internetseiten des BMUV (www.bmuv.de) und des BfS (www.bfs.de/notfallschutz) zu finden. Weitere Informationen zum Strahlenschutz-Notfall für die Bevölkerung halten Länder und Kommunen bereit.