Internationale Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Industrie haben in den letzten fünfeinhalb Jahren neue, bio-basierte Produkte aus Pappeln entwickelt. Im Rahmen des Forschungsprojektes Dendromass4Europe (D4EU) begleitete ein interdisziplinäres Team unter der Leitung von Prof. Norbert Weber, Professur für Forstpolitik und Forstliche Ressourcenökonomie an der TU Dresden, seit Mitte 2017 den Anbau von Pappeln auf schwer oder unprofitabel zu bewirtschaftenden Standorten und erarbeitete Möglichkeiten, wie der Einsatz fossiler Rohstoffe durch die Nutzung umweltfreundlicherer, bio-basierter Materialen aus Pappeln reduziert werden kann.
Den Rohstoff für die innovativen Produkte bilden das Holz und die Rinde von schnellwüchsigen Pappeln, welche in sogenannten Kurz-Umtriebs-Plantagen (KUP) auf rund 1.300 Hektar landwirtschaftlicher Fläche im Nordwesten der Slowakei wachsen. Sieben verschiedene Institute der TU Dresden forschen dazu an den wissenschaftlichen Grundlagen und erbringen im Projekt vor allem bodenkundliche, logistische, holzchemische und fasertechnologische Forschungsbeiträge.
Das österreichische Forschungszentrum Wood K plus stellt durch eine umfangreiche Ökobilanzierung sicher, dass alle im Rahmen von Dendromass4Europe entwickelten Produkte hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft den Ansprüchen der Nachhaltigkeit genügen. Das Naturmonitoring des Projektpartners Daphne – ein slowakisches Institut für angewandte Ökologie – dient der Überwachung der Auswirkungen der Pappelplantagen auf die Umwelt. Ergebnisse dieser Forschungen liefern ein sehr positives Bild: die Plantagen fördern die Biodiversität und verbessern langfristig sogar die Bodenqualität, da Pappeln Giftstoffe aus dem Boden filtern und aus den im Herbst herabfallenden Blättern eine fruchtbare Humusschicht auf dem bislang marginalen Boden gebildet wird.
Dendromasse für Möbel, Terrassendielen und Verpackungsmaterialien
Die Partner aus der Industrie produzierten und testeten derweil viele Prototypen. Jetzt, kurz vor dem Ende des Projektes, zahlt sich die Mühe aus. Etliche Entwicklungen haben die Produktreife erlangt:
– IKEA Industry Malacky (Slowakei) produziert mit Hilfe von Pappelholz leichtere Möbelplatten. Hierzu werden die Pappeln in einem speziell entwickelten Verfahren dem bisher verwendeten Kiefernholz beigemischt. Diese Mischung macht die Platten nicht nur leichter, sondern sogar haptisch angenehmer. Zudem sind die neuen Möbelplatten genauso stabil wie gewohnt.
– Die Pulp-Tec Compound GmbH & Co KG (Deutschland) hat den vollständig kompostierbaren BIOFORM© Werkstoff entwickelt. Aus Papierfasern, Stärke und einem biologischen Bindemittel werden dabei sogenannte Granulate hergestellt, aus denen mittels Spritzgussverfahren die verschiedensten Produkte geformt werden können. Unter anderem werden aus den Granulaten die BIOFORM©-Pflanztöpfchen produziert. Diese haben noch eine Spezialzutat: gemahlene Pappelrinde. Sie sorgt mit ihren ökofungiziden Substanzen für eine mindestens sechs monatige Schimmelpilzresistenz.
– TerrainEco (Tschechische Republik) testete einen Verbundwerkstoff aus Plastik und Holz (wood plastic composite – WPC), dem gemahlene Rinde und Zweige von Pappeln beigemischt werden. Aus diesem pappelhaltigen WPC können nun Terrassendielen und Zäune hergestellt werden.
Zukunftsträchtige Bioökonomie
Von besonderer Bedeutung im Sinne einer nachhaltigen Bioökonomie ist die Verwendung aller Teile der Pappel. Während die Pappelrinde und -zweige bisher oft ungenutzt blieben oder der Verbrennung für die Energieerzeugung zugeführt wurden, war es ein Anliegen des Projekts auch das darin gebundene Kohlenstoffdioxid langfristig in Produkten zu speichern.
Die Kombination mehrerer Wertschöpfungsketten auf der Basis von Pappelholz und Pappelrinde stellt einen wichtigen Beitrag in Richtung einer Bioökonomie dar, die diesen Namen auch verdient. Zusätzlich entlastet die Verwendung von Pappeln, die in Plantagen auf kaum anderweitig nutzbaren landwirtschaftlichen Flächen angebaut werden, die derzeit stark unter Druck stehenden Wälder als Rohstoffquelle. Die weitere Verbreitung dieses in der Praxisreife angekommenen Modells einer nachhaltigeren, bio-basierten Rohstoffproduktion ist für die wachsende Unabhängigkeit der europäischen Wirtschaft von fossilen Rohstoffen wünschenswert.