Algen sind vielfältig und vielfältig auch ihre Einsatzmöglichkeiten – ob als Nahrungsergänzungsmittel, Farbstoff und Kosmetika oder als Energielieferant und Kraftstoff. Jedoch ist die Aufbereitung der Algen aufwendig, energieintensiv und damit auch teuer. Somit lohnt sich die industrielle Nutzung aus ökonomischer Sicht oft nicht. Gemeinsam mit seinem Forschungsteam arbeitet die OTH Amberg-Weiden daran, dies zu ändern.
Von kleinsten Mikroalgen bis zum 50-Meter-Seetang im Ozean – Algen gibt es in den verschiedensten Ausführungen. Ähnlich vielfältig sind auch ihre Einsatzmöglichkeiten – ob als Nahrungsergänzungsmittel, Farbstoff und Kosmetika oder als Energielieferant und Kraftstoff. Dabei bestechen sie mit einer Vielzahl positiver Eigenschaften: sie sind vegan, gentechnikfrei, klimaneutral, recht genügsam im Anbau und brauchen wenig Platz. Ideale Voraussetzungen also, um im industriellen Maß genutzt zu werden und die Welt ein Stück nachhaltiger zu gestalten. Dennoch kommen die kleinen Alleskönner bis jetzt erst vereinzelt zum Einsatz.
„Eines der Hauptprobleme ist der Downstream-Prozess, also die Aufbereitung der Algen“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Christoph Lindenberger von der OTH Amberg-Weiden. Da dieser aufwendig, energieintensiv und damit auch teuer ist, lohnt sich die industrielle Nutzung aus ökonomischer Sicht oft nicht. Gemeinsam mit seinem Forschungsteam arbeitet der Bioverfahrenstechnik-Professor daran, dies zu ändern. Prinzipiell gibt es dafür zwei Ansatzpunkte. Einerseits könne man die Verfahren verbessern. Lindenberger vergleicht dies gerne mit der Landwirtschaft um 1910, „da gibt es noch großes Optimierungspotential“. Mit seinem Team geht er aber noch weiter und verfolgt einen gesamtheitlichen Ansatz. „Wir betrachten die gesamte Wertschöpfungskette. Das heißt, wir versuchen, so viel Nutzen wie möglich aus der Alge zu ziehen.“
„Dafür arbeiten wir mit der Blaualge Spirulina, die genau genommen eigentlich ein Bakterium ist und am bekanntesten vermutlich als Nahrungsergänzungsmittel ist“, erläutert Lindenberger. Darüber hinaus kann aus ihr ein blauer Farbstoff gewonnen werden, eine der wenigen natürlichen blauen Lebensmittelfarben, die u. a. zum Einfärben von Gummibärchen verwendet werden. Aus der Alge lässt sich außerdem ein Zuckerpolymer extrahieren, das nachgewiesen eine antivirale Wirkung hat. Diesen könne man zum Beispiel bei Karpfen in Aquakulturen zur Prophylaxe und zur Behandlung einsetzen.
Aus dieser einzigen Alge lassen sich somit bereits drei hochwertige Produkte erzeugen. Und damit ist noch nicht Schluss. Der gesamte Prozess wird noch an eine Biogasanlage gekoppelt, so kann zum einen die Prozesswärme, die für die Vermehrung der Mikroalgen nötig ist, bereitgestellt werden. Zum anderen können die „Abfälle“ der Alge in der Biogasanlage vergärt werden und erfahren so noch eine energetische Verwertung. „So haben wir einen echten Kreislauf, der zu einer enorm verbesserten Ökobilanz und einer ökonomisch tragfähige Wertschöpfungskette führt“, erklärt der Bioverfahrenstechnik-Professor.
Vielfältiges Know-how gefordert
Damit das in der Praxis wirklich funktioniert, ist jede Menge Know-how notwendig. „Das hat dann nicht mehr viel mit Landwirtschaft zu tun, sondern ist klassische ingenieurwissenschaftliche Verfahrenstechnik“, betont Lindenberger. So müssen alle Prozessparameter perfekt aufeinander abgestimmt werden. Zum Beispiel die Versorgung mit der richtigen Menge Kohlenstoffdioxid und eine effiziente Lichtverteilung in den Bioreaktoren, in denen die Algen gezüchtet werden.
Daran arbeiten er und sein Team im Rahmen eines aktuellen Forschungsprojekts, das von der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gefördert wird. Neben der OTH Amberg-Weiden ist auch noch die TU Berlin involviert. Die erste Projektphase, Experimente im Labormaßstab, wurden bereits erfolgreich abgeschlossen. „Jetzt wechseln wir vom Labor- in einen größeren Technikums-Maßstab“, so Lindenberger. Nach erfolgreichem Projektabschluss ist die nächste Zielsetzung, eine funktionierende Pilotanlage bei einem Landwirt mit Biogasanlage zu installieren.
Immer die passende Alge
Auch abseits dieses Projekts bieten Algen enormes Potential. „Dabei muss man auch mal komplett neu denken“, erklärt Lindenberger: „Die letzten 30 Jahre wurde geschaut, was kann die Alge. Dabei könne man dies auch umdrehen und sich fragen, was braucht der Markt und anhand dessen eine geeignete Alge auswählen.“ Ein Beispiel dafür seien Omega-3-Fettsäuren, die als Nahrungsergänzungsmittel sehr gefragt sind, aber noch oft auf Fischöl basieren. Algen sind hier eine vegane, gentechnikfreie Alternative. Die Hochschule unterstütze als Kooperationspartner regelmäßig Unternehmen bei solchen und ähnlichen Projekten. „Denn wenn die Bedingungen optimal sind, sind Algen wirklich kleine nachhaltige Alleskönner“, betont Prof. Dr. Lindenberger.