Mit dem UN-Nachhaltigkeitsziel 9 will die Staatengemeinschaft eine nachhaltige Industrie und Infrastruktur fördern. Die Digitalisierung kann den Marktzugang und die Positionierung von Unternehmen in nachhaltigen Wertschöpfungsketten beeinflussen. Wenn einzelne Länder oder auch bestimmte Sektoren bei der digitalen Entwicklung abgehängt werden, gibt dies daher Anlass zur Sorge. Eine neue Studie vermittelt Einblicke in das Ausmaß von Ungleichheiten beim Einsatz digitaler Technologien.
„Das Umweltmanagement entlang der Lieferkette kann durch den Einsatz digitaler Technologien verbessert werden. Denn diese können kontinuierlich Daten bereitstellen und so die Transparenz verbessern. Dadurch werden Nachhaltigkeitsrisiken wie die Verlagerung in Länder mit niedrigeren Sozial- und Umweltstandards sichtbar und wir bekommen Hinweise, wie globale Wertschöpfungsketten nachhaltiger gestaltet werden können“, erläutert Erstautorin Silke Niehoff (IASS). Investitionen in digitale Werkzeuge und notwendige Kenntnisse fehlten in einigen Ländern allerdings noch. Die Studie untersucht die digitale Entwicklung in den Schwellenländern China und Brasilien und dem Industrieland Deutschland. Befragt wurden Beschäftigte in Unternehmen unterschiedlicher Größe und mehrerer Sektoren.
Kleinere Unternehmen haben Nachholbedarf
Die Forschenden konnten zeigen, dass die Ungleichheiten auf Länderebene nicht so ausgeprägt sind wie von Expertinnen und Experten vorhergesagt. Deutliche Unterschiede traten aber innerhalb aller Länder auf, zwischen verschiedenen Sektoren und Unternehmen unterschiedlicher Größe. In allen Ländern gaben weniger als 10 Prozent der Unternehmen an, dass sie die Prozesse der Zusammenarbeit mit Partnern vollständig digitalisieren werden. Eine teilweise Digitalisierung ist hingegen stärker verbreitet: 46 Prozent der brasilianischen, 61 Prozent der chinesischen und 63 Prozent der deutschen Unternehmen arbeiten derzeit schon auf diese Weise.
Große Unternehmen nutzen die Chancen der Digitalisierung in allen drei Ländern stärker als kleine und mittlere Unternehmen (KMU). „Die KMU bilden allerdings das Rückgrat der Volkswirtschaften und sollten nicht abgehängt werden. Deshalb braucht es eine globale Governance, um Ungleichheiten auf Länderebene zu erfassen, und zusätzlich nationale Förderpolitiken, um KMU zu stärken“, sagt Ko-Autor Grischa Beier (IASS).
Chancen für eine nachhaltigere Produktion könnte eine vollständig digitale Integration von Produktionsdaten in die Umweltmanagementsysteme der Unternehmen bieten. Sie vereinfacht potenziell die Einhaltung von Umweltvorschriften sowie den Prozess der Umweltzertifizierung für Unternehmen und Regulierungsbehörden, die häufig Analysen der gesamten Wertschöpfungskette erfordern. Allerdings nutzen derzeit nur 9 Prozent der deutschen, 3 Prozent der brasilianischen und 6 Prozent der chinesischen Unternehmen diese Möglichkeit.
Automobilsektor ist ein Digitalisierungsvorreiter
In Deutschland berichteten 84 Prozent der Befragten aus dem Automobilsektor über eine zumindest teilweise Digitalisierung von Kooperationsprozessen, verglichen mit 72 Prozent der chinesischen und 62 Prozent der brasilianischen Unternehmen. Mehr als in anderen Sektoren ist die Anzahl der Kooperationspartner bei den befragten Unternehmen durch die Digitalisierung der Prozesse zurückgegangen, während die Qualität der Kooperation sich dadurch nach Ansicht der Befragten verbessert hat. Der Automobilsektor sei ein interessantes Objekt für künftige Forschung, so die Autorinnen und Autoren: Von einer Auswertung der Erfahrungen aus diesem Sektor könnten andere Unternehmen auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit profitieren.