Um klimaneutral zu werden, hat sich das Land Berlin beim Ausbau von Solaranlagen viel vorgenommen. Ihre Solarziele kann die Mieterstadt Berlin nur mit den Dächern von Mehrfamilienhäusern erreichen. Doch noch gibt es wenige Photovoltaikanlagen auf Mietshäusern in der Hauptstadt. Rund 15 Megawatt Leistung sind erst mit dem Konzept Mieterstrom installiert, einem Modell zur Versorgung von Mieter*innen mit Solarstrom vom Dach. Das Potenzial davon ist rund hundertmal so hoch. Wie die Politik jetzt nachjustieren muss, damit Mieterstrom durchstarten kann, zeigen das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und das Ecologic Institut in zwei Politikpapieren. Insbesondere müsse der Betrieb von Mieterstromanlagen einfacher und wirtschaftlich werden, fordern die Wissenschaftlern in dem Projekt „StromNachbarn“ des Forschungsverbunds Ecornet Berlin.
„Bei Mieterstrom geht es um Solarstrom, der vom Dach des Mietshauses – ohne Netzdurchleitung – in die Haushalte des Gebäudes fließt. Mieter können sich dafür entscheiden, Mieterstrom zu beziehen, oft zu günstigen Preisen“, erklärt Projektleiterin Katharina Umpfenbach vom Ecologic Institut. Mit Förderung durch den Berliner Senat haben die Forschenden Simulationen, Interviews und Berechnungen durchgeführt, die das große Innovationspotenzial von Mieterstrom in Berlin aufzeigen. Mieterstrom müsse ein wichtiger Baustein in einem flexiblen Energiesystem der Zukunft werden, so die Analyse.
Kopplung mit Batteriespeicher, Wärmepumpe oder Elektromobilität erhöht Wirtschaftlichkeit
Die Forscher zeigen mit drei Simulationen, wie der Eigenverbrauch von Mieterstromanlagen erhöht und so ein positiver Effekt auf die Wirtschaftlichkeit erzeugt werden: durch die Kopplung mit einem Batteriespeicher, mit einer Wärmepumpe oder mit Elektromobilität. „Den selbst erzeugten Strom zum Antrieb einer Wärmepumpe zu nutzen, birgt die Möglichkeit, den Mieterstrom effizient für die Wärmeversorgung zu nutzen“, erklärt Solarstromexpertin Astrid Aretz vom IÖW. „Zudem kann die Wärmeerzeugung in Kombination mit einem Wärmespeicher zeitlich etwas entkoppelt werden und der flexible Stromverbrauch durch die Wärmepumpe kann Spitzenlasten glätten.“
Ein Batteriespeicher macht es möglich, die Solarerzeugung mit dem Verbrauch zu harmonisieren und zudem das Verteilnetz weniger zu nutzen. Bei größeren Wohnanlagen bietet es sich an, den Mieterstrom für ein Carsharing-Angebot mit Elektro-Fahrzeugen zu nutzen. Durch die Kopplung mit der Wärmeversorgung und der Mobilität trägt Mieterstrom sektorübergreifend zur Energiewende bei.
Darum braucht es neue politische Rahmenbedingungen
„Damit die Stadt einen urbanen Solar-Turbo zünden kann, braucht es schnell bessere Rahmenbedingungen“, so die Forderung von IÖW und Ecologic Institut. „Über Mieterstrom können Mieter*innen sich an der Energiewende beteiligen. Das derzeitige Mieterstrommodell ist jedoch komplex und nur für einen Teil der Mehrfamilienhäuser geeignet“, sagt Energieexpertin Katharina Umpfenbach vom Ecologic Institut. „Wir empfehlen, ein grundlegend neues Modell für Eigenversorgung und Sektorkopplung in Quartieren zu entwickeln. Teil der Debatte sollte ein Dialog über Photovoltaik als Haustechnik sein. In diesem Fall würde eine Photovoltaikanlage wie eine zentrale Heizungsanlage als Bestandteil des Gebäudes eingestuft werden.“
Bislang ist die Wirtschaftlichkeit das größte Hemmnis beim Ausbau von Mieterstromanlagen. „Die Einnahmen durch die Einspeisevergütung und den Verkauf des Mieterstroms decken die Kosten der PV-Stromerzeugung bislang meist nicht“, mahnt Astrid Aretz. „Der Wegfall der EEG-Umlage ist ein guter Schritt, kann die Anlagen aber noch nicht rentabel machen.“ Auch beim Verkaufspreis des Mieterstroms gibt es wenig Gestaltungsspielraum, da sich dieser am Grundversorgertarif ausrichtet, damit Mieterstromkund*innen einen Preisvorteil haben.
Mieterstrom für verschiedene Gebäudetypen simuliert
Die Forscher errechneten für vier Gebäudegrößen die Wirtschaftlichkeit von Mieterstrom. Bei jetzigen politischen Rahmenbedingungen konnte in der Studie lediglich ein Gebäude einer Wohnungsbaugesellschaft mit 180 Wohneinheiten, das den Solarstrom in einem Batteriespeicher zwischenspeichert, wirtschaftlich sein. Ausschlaggebend für das Ergebnis ist das Verhältnis zwischen angenommener Anlagengröße und dem Stromverbrauch. Wird zu wenig Solarleistung installiert, überwiegen die Kosten für den zugekauften Haushaltsstrom; ist verhältnismäßig zu viel Leistung vorhanden, sinkt die Eigenverbrauchsquote, was ebenfalls die Bilanz trübt.
Neben der Wirtschaftlichkeit ist der hohe bürokratische Aufwand, um Mieterstromanlagen zu betreiben, ein weiteres Hindernis für Berlin, wenn es seine Ausbauziele bei der Photovoltaik erreichen will. Da Mieterstrom nicht durch das öffentliche Stromnetz geleitet werden darf, fallen etwa hohe Installations- und Umbaukosten in den Gebäuden an. „Hier muss nachgebessert werden“, empfiehlt Aretz. „Auch wäre es gut, die Definition von Mieterstrom weiter zu fassen, um die Zielgruppe zu vergrößern und auch anliegende Haushalte mitversorgen zu können.“
Kurzfristige Alternative für mehr Solarstrom auf Mietshäusern: Volleinspeisung
Eine kurzfristige Alternative, um Solarstrom auf Mietshäusern voranzubringen, können solche Anlagen sein, die den erzeugten Strom vollständig ins Stromnetz einspeisen. Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 steigert deren Wirtschaftlichkeit. Astrid Aretz: „Auf diese Weise könnte sich auch der Effekt entschärfen, dass PV-Anlagen in der Praxis tendenziell kleiner ausgelegt werden, um möglichst hohe Eigenverbrauchsquoten zu erreichen. Durch eine kleinere Anlagendimensionierung wird nämlich wertvolles Potenzial für die Energiewende verschenkt. Allerdings fallen bei diesen Anlagen die Vorteile durch den direkten Bezug des Solarstroms für die Mieter weg, daher empfehlen wir vor allem, mittelfristig die Rahmenbedingungen für Mieterstrom zu vereinfachen.“