Die Entdeckung des bisher größten in Europa bekannten Vorkommens an Seltenen Erden im Norden von Schweden kommt zur rechten Zeit und ist eine sehr gute Nachricht für die Transformation der Europäischen Wirtschaft in eine nachhaltige Zukunft. Denn die im European Green Deal gesteckten Klimaziele und die technischen Herausforderungen für die Energiewende erfordern insbesondere einen deutlich erhöhten Einsatz von seltenen Erden. Christian Hopmann, Vorsitzender der VDI-GME, zum erstaunlichen Fund.
Die EU hat bisher 30 Rohstoffe mit Blick auf ihre wirtschaftliche Bedeutung und die Versorgungssicherheit als kritisch eingestuft und schätzt, dass zum Beispiel die Nachfrage nach Lithium bis 2050 um das 20-fache und nach Seltenen Erden bis 2030 um das 5-fache steigen wird. Seltene Erden sind Bestandteil aller grünen Schlüsseltechnologien wie beispielsweise Generatoren, Solarpanels, Elektromotoren. Hinzu kommen viele weitere Anwendungen wie Smartphones oder Laptops. Auch wenn der mengenmäßige Anteil in den Produkten vergleichsweise gering ist, so besteht dennoch eine Abhängigkeit, weil ohne diese Metalle nichts funktioniert und die EU ihre Bedarfe aus Importen decken muss.
Seltene Erden: EU deckt ihre Bedarfe bislang aus Importen
Derzeit stammen etwa 45 Prozent der deutschen Importe von Seltenen Erden aus China. Und dort lagern auch die größten Reserven. Um die Abhängigkeit von China zu verringern, muss die EU den Bezug kritischer Rohstoffe diversifizieren, mehr aus eigenen Lagerstätten fördern, mehr Sekundärmetalle durch Recycling gewinnen oder durch Werkstoffentwicklungen Alternativen zu den Metallen finden, so Christian Hopmann, Vorsitzender der VDI-Gesellschaft Materials Engineering. Derzeit verfügt die EU nicht über die Bergbaukapazitäten für Seltene Erden. Mit dem Projekt REEsilience will die EU deswegen die Abhängigkeit von außereuropäischen Volkswirtschaften durch nachhaltige Lieferketten verringern. Hier werden alle Wertschöpfungsströme von Primärmetallen und Sekundärmetallen einbezogen, weiß Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann vom Institut für Kunststoffverarbeitung in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen.
VDI-Projekt: Schaffung von Resilienz am Standort Deutschland
Aktuelle Krisen wie Pandemien und Kriege, aber auch wirtschaftliche Abhängigkeiten führen uns die fehlende Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und Gesellschaft gegenüber den Veränderungen von Produktverfügbarkeiten und Logistikketten vor Augen. Die EU hat die Mitgliedstaaten mit ihrem Strategic Foresight Report (2021) aufgefordert, mittels sektoraler „Dashboards“ ihr Resilienzniveau kontinuierlich zu erfassen. Geeignete Indikatoren fehlen und müssen definiert werden. Deswegen hat der VDI zu Beginn dieses Jahres ein Projekt aufgesetzt, um die Problemstellungen detailliert zu beleuchten und Lösungsstrategien auszuarbeiten.
Bei der Resilienz geht nicht einfach um Stabilität, sondern darum, im Fall von Instabilität wieder ein gutes Gleichgewicht zu finden. Der Fokus soll von einzelnen unternehmerischen Versorgungszielen hin zu einem systemischen Blick auf die gesamte Flexibilität und Reagibilität der Wirtschaft verschoben werden. Die Rollen staatlicher und privater Akteure sind sorgfältig auszubalancieren.
Zu Fragen des Produktionsstandortes Deutschland hat sich der VDI in der Vergangenheit bereits sehr erfolgreich positioniert – vor allem auch mit Lösungsvorschlägen für eine erfolgreiche Umsetzung der Standortentwicklung, der Infrastruktur und der Energiewende. Durch das VDI-Projekt „Resilienz am Standort Deutschland“ soll nun anhand von Beispielen sichtbar werden, welche Strategien schon angewandt werden und wie sie weiterentwickelt werden können. Insbesondere die Anknüpfung des Themas an die Themen Digitalisierung und Industrie 4.0 sind herauszuarbeiten, sagt Hopmann.
Die Ausarbeitung der Studie erfolgt unter der Leitung von Christian Hopmann und wird nach Fertigstellung ausführlich an alle Stakeholder aus Industrie, Wissenschaft und Politik kommuniziert werden. Die Laufzeit des Projekts beträgt 1 1/2 Jahre.
Fund in Schweden könnte zeitweise Bedarfe decken
Die Lagerstättensituation könnte sich nun durch den Fund in Schweden ändern und zumindest eine Zeit lang die Bedarfe innerhalb Europas decken. Auch wenn die Exploration dieser Vorkommen noch einige Jahre Vorlauf benötigt, wird sie einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der Abhängigkeit leisten.