Miteinander reden kann Gräben überwinden – auch zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Dem Ziel, dauerhaft und flächendeckend eine biodiversitätsfreundlichere Landwirtschaft zu erreichen, kommt man nur mit Kommunikation näher. Doch daran hapert es oft. Ein von der Universität Hohenheim in Stuttgart durchgeführtes und vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördertes Forschungsprojekt zeigt nun Lösungsmöglichkeiten auf. Die darin enthaltenen Impulse und Empfehlungen wird BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm in die Diskussion auf dem BMUV-Agrarkongress am 17. Januar 2023 einbringen. Wichtig sind dabei zwei zentrale Ansätze: Wissen übereinander vermitteln und Verständnis füreinander schaffen.
Auch wenn etliche gelungene Initiativen zeigen, dass zwischen Landwirtschaft und Naturschutz vielfach Einigkeit über die Ziele der landwirtschaftlichen Entwicklung besteht, gibt es vor allem in der öffentlichen Kommunikation anhaltende, teils heftige Auseinandersetzungen. Statt in einen offenen, fairen und konstruktiven Meinungsaustausch zu treten und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, sind die Fronten oft verhärtet. Die zentrale Frage lautet daher: Wie kann dieser Dialog verbessert werden?
Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schweiger und seine Doktorandin Verena Menauer von der Universität Hohenheim haben drei Jahre dazu geforscht. Im November 2022 luden sie zusammen mit dem BfN Wissenschaft, Verbände, Behörden und Praxis zu einem Workshop der internationalen Naturschutzakademie auf der Ostseeinsel Vilm ein. Das Ergebnis: Ein gemeinsames Konsenspapier der rund 40 Teilnehmenden.
Konsenspapier: Wissen übereinander vertiefen und Verständnis füreinander schaffen
Demnach sind zwei zentrale Punkte entscheidend, wenn man die öffentliche Kommunikation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz verbessern will: Wissen übereinander vermitteln und Verständnis füreinander schaffen. „Beides kann dazu beitragen, Vorurteile abzubauen, bestehende Gemeinsamkeiten stärker als bisher aufzuzeigen und eine gemeinsame Vertrauens- und Wissensbasis zu schaffen – die Grundlage für konstruktive öffentliche Kommunikation“, betont Prof. Dr. Schweiger.
Um das zu erreichen, zeigt das Konsenspapier einen ganzen Maßnahmenkatalog auf. Bei allen Beteiligten aus Landwirtschaft und Naturschutz sollte ein höherer Wissensstand über das jeweils andere Feld angestrebt werden. Dies betrifft sowohl die fachliche Ebene als auch die soziale Ebene. Ziel ist es, die Werte, Probleme, Interessen und Einstellungen der jeweils anderen Gruppe – zumindest in ihren Grundzügen – kennenzulernen. Und dies am besten schon bei der Ausbildung.
Zudem ist es wünschenswert den direkten und persönlichen Austausch zwischen den beiden Seiten auf allen Ebenen zu intensivieren und optimieren. Dies kann beispielsweise in Form von regelmäßigen gemeinsamen Arbeitskreisen oder Stammtischen, im Rahmen von Projekten oder Veranstaltungen geschehen. Dazu gehört auch die Vermittlung von Grundkenntnissen in der Kommunikation während der Ausbildung bzw. als Weiterbildungsangebot.
Gerade bei Dialogen auf höheren politischen Ebenen sollten die beteiligten Interessenvertreterinnen und -vertreter so gewählt werden, dass beschlossene Maßnahmen und Projekte später auf Akzeptanz stoßen. Außerdem sollten sich die Beteiligten beider Seiten stärker als Partner denn als Gegner wahrnehmen. Denn wenngleich hinsichtlich einzelner Themen nach wie vor große Differenzen bestehen, herrscht in vielen Bereichen auch Einigkeit. Diese gemeinsamen Interessen sollten stärker identifiziert und öffentlich kommuniziert werden.
Kommunikationsprobleme entstehen vor allem in der öffentlichen Kommunikation
„Die Probleme entstehen weniger in der direkten Kommunikation zwischen den Beteiligten als vielmehr in der öffentlichen Kommunikation“, so Prof. Dr. Schweiger. „Dies betrifft den Nachrichten- und Fachjournalismus genauso wie die öffentlichen Kommunikationsangebote interessengeleiteter und staatlicher Akteure sowie Kommentare in den sozialen Medien.“ Deshalb analysierte Verena Menauer die öffentliche Kommunikation zum Verhältnis zwischen Naturschutz und Landwirtschaft. Zudem wertete sie erfolgreiche Initiativen aus, die sich einer Verbesserung dieser Kommunikation widmen (Best Practices).
Vielfältige Probleme und Ursachen
„Oft fehlt es an der Bereitschaft zum öffentlichen Austausch. Teilweise verweigern die Beteiligten das Gespräch vollständig“, nennt Prof. Dr. Schweiger als Beispiel für Probleme. „Statt gemeinsam Lösungen oder Kompromisse zu finden, versuchen sie die eigene Seite durch konfrontative, emotionalisierte Kommunikation zu mobilisieren.“ Aber auch die öffentliche Berichterstattung trage ihren Teil dazu bei. Sowohl Nachrichten- als auch Fachmedien berichteten meist nur über negative, konfliktbehaftete Themen. Erfolgreichen Projekten oder kooperativen Ansätzen werde nach den Beobachtungen von Verena Menauer kaum Aufmerksamkeit geschenkt.
Die Ursachen für diese Probleme sind ebenso vielfältig. Beispielsweise unterscheiden sich Landwirt:innen und Personen aus dem Naturschutzbereich erheblich in ihrer emotionalen und finanziellen Betroffenheit. Landwirt:innen sind – im Gegensatz zu vielen Naturschutz-Akteur:innen – oft unmittelbar und persönlich von politischen Entscheidungen betroffen. Naturschutzauflagen werden von ihnen nicht nur als Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit, sondern oft als existenzgefährdend wahrgenommen.
Außerdem fehle manchen Beteiligten das notwendige Wissen für eine angemessene Teilnahme an der öffentlichen Debatte, so Prof. Dr. Schweiger. Das beträfe Landwirtschaft, Naturschutz und Journalismus gleichermaßen. Eine unterschiedliche Interpretation von Begriffen wie „Natur“ oder „Natürlichkeit“ erschwere das wechselseitige Verständnis zusätzlich. „Um den Problemen zu begegnen, muss eine gemeinsame Vertrauens- und Wissensbasis entstehen“, unterstreicht er.