Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) warnt vor einer „inakzeptablen Ressourcenvergeudung durch Verschwendung und Verluste von Lebensmitteln“. Kurz vor dem Start der Agrarmesse „Internationale Grüne Woche“ (IGW) morgen (Freitag) in Berlin sagte DBU-Generalsekretär Alexander Bonde: „Allein in Deutschland landen jedes Jahr rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Pro Kopf sind das fast 80 Kilogramm. Dieser unnötige Raubbau an Ressourcen wie Boden, Energie, Wasser und Luft muss gestoppt werden.“
Die 1926 gegründete IGW gilt als weltweit größte Verbraucherschau für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau und erlebt in diesem Jahr ihre 87. Auflage. Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause öffnet sie erstmals wieder ihre Tore für weit mehr als 1000 Ausstellende und mehrere Hunderttausende Besuchende. Ein Schwerpunktthema 2023: Nachhaltigkeit. Die neue Themenwelt „grünerleben“ erhält dabei einen festen Platz in Halle 27, und es geht nicht allein um Ernährungsfragen, sondern auch um Circular Economy, die umfassende Kreislaufwirtschaft – ein zentrales Anliegen auch der DBU.
Neue Themenwelt „grünerleben“ auf der IGW
Die Besuchenden erfahren zum Beispiel, wie ehemals ausrangierten Gegenständen ein zweites Leben eingehaucht wurde, etwa durch sogenannte Upcycling-Möbel und Second-Hand-Kleidung. Bonde, der auf der Grünen Woche einen Rundgang zum Austausch mit Agrar- und Umweltministerium nutzt und auch mit Verbänden zusammenkommt, begrüßte diese Entwicklung sehr. „Der Ressourcenschutz in allen Bereichen wird zu einem Schlüssel, wenn wir die beiden großen ökologischen Herausforderungen unserer Zeit – die Klima- und die Artenkrise – in den Griff bekommen wollen“, so der DBU-Generalsekretär. „Ein großes Potenzial bieten dabei Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und -handel sowie unser Umgang mit Ernährung.“
Bis zu zwei Milliarden Tonnen Lebensmittel landen weltweit jedes Jahr im Abfall
Global sind die Dimensionen dramatisch: Nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) gehen weltweit pro Kopf und Jahr zwischen 180 bis 190 Kilogramm Lebensmittel verloren – rund 17 Prozent aller Lebensmittel landen Jahr für Jahr ungenutzt im Abfall. Andere Schätzungen berechnen sogar einen Anteil von rund 30 Prozent. Die Menge der weltweit verschwendeten – aber eigentlich noch verwendbaren – Lebensmittel bewegt sich demnach zwischen etwa 930 Millionen und zwei Milliarden Tonnen Lebensmittel. Jedes Jahr.
In Europa liegen laut UN die Lebensmittelverluste zwischen 95 und 115 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Besorgniserregend ist die Lage in den sogenannten Entwicklungsländern, weil hier bis zur Hälfte aller Lebensmittel bereits auf dem Weg vom Acker zum Teller verderben – teils wegen mangelhafter Lagerung, teils aufgrund von unzureichenden Transportwegen oder schlicht wegen fehlender Vermarktungsoptionen. Bonde: „Die Folge von Lebensmittelverschwendung und -verlusten ist eine nicht hinnehmbare Ressourcenvergeudung von Energie und Wasser bis hin zu Ackerflächen und Arbeitskräften.“
Tatsächlich sind schon für die Herstellung von einem Kilogramm Äpfel 820 Liter Wasser notwendig, bei einem Kilogramm Käse sind es sogar mehr als 5000 Liter Wasser. Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass allein in Deutschland für die Lebensmittel, die ein Mensch pro Jahr kauft, 84 Badewannenfüllungen an Wasser verbraucht und rund drei Tonnen klimaschädliche Treibhausgase ausgestoßen werden. Hinzu kommen umweltbelastende Pflanzenschutzmittel und Dünger, die bei einem sorgsameren Umgang mit Lebensmitteln eingespart werden könnten. Bonde: „Wir müssen wieder mehr Bewusstsein dafür schaffen, dass Lebensmittel Mittel zum Leben sind. Wertschätzen statt Wegwerfen muss die Devise sein.“
Ernährungsweise und Lebensmittelproduktion innerhalb der planetaren Grenzen
Der DBU-Generalsekretär verwies in diesem Zusammenhang auf verschiedene von der Stiftung geförderte Projekte, die allesamt das Ziel verbindet, nicht nur das Wissen um den Wert von Nahrungsmitteln zu schärfen, sondern auch Lebensmittelverschwendung und -verluste zu reduzieren. Neben der Zusammenarbeit mit Bildungszentren und Maßnahmen bei der Außer-Haus-Verpflegung fördert die DBU das Konzept des „Planetary Health Diet“. So sollen eine gesunde Ernährungsweise und eine ressourcenschonende Lebensmittelproduktion vorangebracht werden, ohne die planetaren Grenzen – also das Ökosystem der Erde und die Lebensgrundlagen der Menschen – zu verletzen. Angepasste Ernährungskonzepte in Schulen und Einrichtungen des Gesundheitswesens spielen dabei ebenso eine Rolle wie Aufforstungspläne in Subsahara Afrika unter Berücksichtigung von Ernährungsaspekten.
Startup zur Rettung von krummem Obst und Gemüse
Als „wahre Gemüseretter“ bezeichnete Bonde das Startup „Querfeld“, dessen Idee und Umsetzung mit rund 316.400 Euro seitens der DBU gefördert wurde: Unter dem Motto „Big is beautiful“ („Groß ist schön“) schaffte es „Querfeld“, mithilfe einer Online-Plattform sogenanntes nicht normgerechtes Obst und Gemüse doch in den Verkauf zu bringen. „Sie haben bisher fast 570.000 Kilogramm krummes Obst und Gemüse vor dem Wegwerfen bewahrt“, so Bonde. Der Ansatz des Startups ist auch insofern beachtlich, weil die Obst- und Gemüseproduktion unter enormen Verlusten leidet: Denn Schätzungen zufolge wird trotz qualitativ einwandfreier Ware nahezu ein Drittel an Äpfeln, Gurken, Tomaten und anderem entsorgt – nur weil die Form nicht ganz der Norm entspricht.