Der Ausbau regionaler Stoffkreisläufe ist ein zentrales Element, um die mitteldeutsche Industrie unabhängig von fossilen Rohstoffen zu machen. CO2 aus nachhaltigen Quellen, wie Biogas, kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Der darin enthaltene Kohlenstoff kann über katalytische und elektrochemische Verfahren sowie den nachfolgenden Stoffsynthesen in wesentliche Grundstoffe für die Chemieindustrie sowie in grünes Kerosin für die Luftfahrt umgewandelt werden.
Ein schlagkräftiges Konsortium bestehend aus den Forschungseinrichtungen Fraunhofer IKTS, TU Bergakademie Freiberg und TU Dresden mit den sächsischen Unternehmen Ökotec-Anlagenbau GmbH, Sunfire GmbH und DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH hat in mehreren Projekten bereits erfolgreich nachgewiesen, wie dies im industrienahen Maßstab funktionieren kann. Gemeinsam mit der EDL Anlagenbau Gesellschaft mbH ist nun die Skalierung in den großindustriellen Maßstab geplant. Das Fraunhofer IKTS bringt dabei unter anderem seine langjährigen Kompetenzen bei keramischen Elektrolysezellen und der Entwicklung von Anlagenkonzepten ein, die seit 2019 in der Biogasanlage Thallwitz validiert werden.
»Exzellente Forschung und moderne Technologien sind wichtige Bausteine auf dem Weg zu weniger Rohstoffabhängigkeit.«, betont Ministerpräsident Michael Kretschmer vor Ort in Thallwitz. »Die Verwertung von Biomasse bietet hier enormes Potenzial. Dass man aus ihr nicht nur Energie, sondern auch hochwertige Chemikalien und E-Fuels gewinnen kann, zeigt eindrücklich die Pilotanlage des Fraunhofer IKTS in Thallwitz. Diese bahnbrechende Technologie gemeinsam mit Partnern aus der Region für die Industrie anwendbar zu machen, wäre ein großer Gewinn für die Strukturentwicklung im Mitteldeutschen Revier.«
Prof. Alexander Michaelis, Institutsleiter des Fraunhofer IKTS, führt aus: »In Thallwitz demonstrieren wir im Realbetrieb Technologien, die eine effiziente ökonomische und ökologische Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Durch die Nutzung von CO2 als Kohlenstoffquelle können wir wichtige chemische Produkte nicht nur CO2-neutral, sondern sogar CO2-negativ herstellen. Erstmalig zeigen wir, wie Synthesegas sowohl aus der Reformierung von Biogas als auch durch Nutzung der sogenannten Co-Elektrolyse gewonnen werden kann.
Auf dem Gebiet der keramischen Hochtemperatur- und Co-Elektrolyse (SOE: solid oxide electrolysis) haben wir weltweite Alleinstellungsmerkmale. Dies ist auch für die Herstellung von grünem Wasserstoff wichtig. Aufgrund der aktiven Abwärmenutzung hat die SOE gegenüber allen Wettbewerbstechnologien eine über 30 % höhere Effizienz für die Strom-zu-Wasserstoff-Wandlung. Dies ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Energiewende. Die erarbeiteten Lösungsoptionen, die nun hochskaliert werden müssen, werden zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit beitragen. Für die beteiligten Unternehmen ergeben sich hierdurch signifikante nationale und internationale Verwertungschancen (Stichwort Exporte).«
Akteure legen den Grundstein für die Überführung in die Anwendung
»In kaum einer Branche ist der Druck so hoch wie in der Chemie- und Luftfahrtindustrie, schnelle und ökonomisch sinnvolle Strategien zur Rohstoffversorgung zu finden.«, ergänzt Dr. Rüdiger Schwarz, Leiter Strategische Kommunikation PtX-Projekte bei der EDL Anlagenbau Gesellschaft mbH. »Gleichzeitig bieten sich mit den richtigen Technologien natürlich auch unglaubliche Chancen für Akteure aus dem Anlagenbau, den verarbeitenden Industrien und damit der gesamten Region Mitteldeutschland.«
Für eine wirtschaftliche Produktion hochwertiger Basischemikalien auf Basis von regionalen biogenen Reststoffen ist eine Skalierung der Konversionsprozesse und Anlagen erforderlich. Hierzu sind im gemeinsamen Projekt mit dem erfahrenen Anlagenbauer EDL weitergehende Untersuchungen zur Prozessoptimierung geplant, die auch die Aufbereitung der Produkte aus der Fischer-Tropsch-Synthese umfassen.
Das Projektkonsortium führt zudem eine Standortanalyse durch, um einen geeigneten Standort für eine Anlage im technisch relevanten Maßstab zu identifizieren. Basierend auf diesen Erkenntnissen erfolgen eine techno-ökonomische Bewertung des Verfahrens, die Auslegung einer Anlage sowie Vorbereitungen zur Umsetzung an einer bestehenden Biogasanlage im mitteldeutschen Revier.
Die Arbeiten gliedern sich in bestehende Projekte der Region am Chemiepark Böhlen, der Raffinerie in Leuna sowie am Flughafen Leipzig/Halle ein, wo die regionale Produktion von synthetischem Kerosin hinsichtlich ökonomischer und technologischer Fragestellungen evaluiert wird. In enger Abstimmung mit dem IPCEI-Vorhaben »HyKero« werden zudem weitere Verfahren zur Nutzung von Biogas entwickelt. Im Zusammenspiel entstehen länderübergreifend wichtige Weichenstellungen für eine nachhaltige Versorgung der mitteldeutschen Industriezentren mit Energie und Rohstoffen.