Forschenden aus Bochum und Leipzig ist es gelungen, ein Bodenbakterium zur gezielten Produktion von Arzneimittelvorstufen zu nutzen. Der Schlüssel zu diesem Schritt war das detaillierte Verständnis der Verstoffwechselung von Indol. Die natürliche Verbindung wird in Mikroorganismen zunächst aktiviert. Dazu brauchen sie eine Monooxygenase, deren molekulare Struktur erstmals aufgeklärt wurde. Die Erkenntnisse eröffnen Möglichkeiten für die Biokatalyse verschiedener Wirkstoffe.
Indol auf Rapsfeldern riechen
Indol ist eine natürlich vorkommende Verbindung, deren typischer Geruch vielen Menschen von Rapsfeldern bekannt ist. Verschiedene Mikroorganismen verstoffwechseln diese Verbindung. Dazu muss sie allerdings zunächst aktiviert werden, was mithilfe der sogenannten Indol-Monooxygenase geschieht. Das Enzym kann unter Beteiligung eines Cofaktors molekularen Luftsauerstoff binden und zur selektiven Epoxidierung von Indol einsetzen. Es entsteht ein hochreaktives Epoxid, das dann in den Stoffwechsel eingeschleust werden kann. „Das Besondere an dieser Klasse von Monooxygenasen ist, dass es bisher nicht gelungen ist, ihre molekulare Struktur in Kombination mit Substrat und Cofaktor zu lösen“, so Dirk Tischler. „Das haben wir nun endlich geschafft!“
Das eröffnet Möglichkeiten zur Anwendung dieser Monooxygenasen für eine nachhaltigere Biokatalyse von Wirkstoffen. Denn die Indol-Monooxygenasen und die Styrol-Monooxygenasen bilden eine Untergruppe der sogenannten Flavoprotein-Monooxygenasen, welche hoch selektiv Doppelbindungen oder Schwefelatome oxygenieren können, die Forschenden sprechen von epoxidieren und sulfoxidieren.
Beide Enzymtypen können je nach Substrat auch sogenannte chirale Reaktionen katalysieren, bei denen nur das gewünschte Produkt, nicht aber unerwünschte Nebenprodukte entstehen. „Das ist besonders bei der Herstellung von Arzneimittelwirkstoffen essenziell, da Moleküle und ihre unerwünscht entstandenen Zwillinge sehr unterschiedliche Wirkung entfalten können“, erklärt Dirk Tischler. Weil keine Nebenprodukte entstehen und die Reaktionen bei milden Bedingungen ablaufen, gilt die Biokatalyse als besonders nachhaltig.
Genetische Veränderung bringt effizienten Biokatalysator hervor
Die Erkenntnisse zur Epoxidierung von Indol konnten die Forschenden auch auf andere Verbindungen übertragen, darunter Inden. Letzteres ist strukturell dem Indol sehr ähnlich. „Kann man Inden selektiv epoxidieren, eröffnet man den Weg zu einem Wirkstoff gegen HIV-Proteasen“, so Tischler. „Bisher fehlten uns aber die strukturellen und mechanistischen Details, um eine Indol-Monooxygenase dazu zu bringen, diese Reaktion effektiv zu katalysieren.“
In der aktuellen Arbeit gelang es den Forschungsteams, die Struktur der Epoxidase-Untereinheit IndA1 aus dem Bodenbakterium Variovorax paradoxus EPS zu lösen und mittels gezielter genetischer Veränderungen die Effizienz der Epoxidierung von Inden drastisch zu steigern. Das Wildtyp-Protein hat nur 35 Prozent reines Indenoxid produziert, wohingegen die Mutante mehr als 99 Prozent Reinheit generiert. Das so hergestellte sogenannte 1S,2R-Indenoxid kann als Vorstufe für einen HIV-Proteasehemmer eingesetzt werden. „Dies zeigt die Bedeutung des molekularen Verständnisses von Proteinstrukturen für die Biokatalyse und auch die Möglichkeiten der gerichteten Evolution für die angewandte Forschung“, resümiert Dirk Tischler.