Die Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW haben kürzlich den ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans (NEP) Strom 2037/2045 veröffentlicht und an die Bundesnetzagentur übergeben. Das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE hat hierfür die Regionalisierung der erneuerbaren Energien modelliert und konkretisiert damit, wo zukünftig Windenergie- und Photovoltaikanlagen für die Energiewende voraussichtlich errichtet werden.
Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) haben am 24. März 2023 den ersten Entwurf des regelmäßig aktualisierten Netzentwicklungsplans (NEP) 2037/2045 (2023) veröffentlicht. Erstmals beschreibt der NEP ein Stromnetz, mit dem Klimaneutralität bis 2045 erreicht werden kann. Strom spielt dabei eine zentrale Rolle, da die Dekarbonisierung der Sektoren Industrie, Verkehr und Gebäude überwiegend durch direkte oder indirekte Elektrifizierung erfolgt.
Zur Deckung des sich im Vergleich zu heute auf über 1.000 TWh verdoppelnden Stromverbrauchs rechnet der NEP mit einer Verfünffachung der installierten Leistung aus Erneuerbaren auf bis zu etwa 700 GW im Jahr 2045. Diese hohe Leistung in das Stromnetz zu integrieren und gleichzeitig dessen sicheren Betrieb zu gewährleisten erfordert einen weiter beschleunigten Netzausbau.
Die Regionalisierungsstudie des Fraunhofer IEE liefert dafür die Grundlage, indem sie postleitzahlenscharf modelliert, wie sich der Zubau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen zukünftig im Raum verteilt. Getrennt für Windenergie an Land sowie für Freiflächen- und Dachflächen-Photovoltaik wurden zunächst mithilfe verschiedener Datenquellen vorhandene und geplante Anlagen verortet und deren Leistung von den im NEP genannten Mantelzahlen, den Leistungsvorgaben je Bundesland, abgezogen.
Dann wurden bereits bekannte Potenziale sowie in detaillierten Potenzialanalysen ermittelte Flächen anhand verschiedener Parameter wie Verfügbarkeit, Eignung, Bodengüte oder Konfliktträchtigkeit gewichtet und schließlich sukzessive mit Anlagen bebaut, bis die jeweiligen Mantelzahlen erreicht waren.
„Dabei konnten wir auf Erfahrung in der Potenzialflächenanalyse sowie auf neue Daten und Methoden aus kürzlich abgeschlossenen Projekten zurückgreifen“, so Dr. Carsten Pape, der die Studie am Fraunhofer IEE geleitet hat. „Indem wir bei der Regionalisierung neben detaillierten Geodaten der Ausschluss- und Eignungsflächen auch Konfliktpotenziale einbeziehen und etwa bei Aufdach-PV-Anlagen die historische Zubaudynamik in die Berechnungen aufnehmen und in die Zukunft extrapolieren, können wir realistische Anlagenverteilungen darstellen“, erläutert Pape weiter.
Die Ergebnisse sind in Karten zusammengefasst, jeweils für den Bestand und die beiden dem NEP zugrundeliegenden Szenarien.
Windenergie
Bei der Windenergie an Land sind bereits heute einige Regionen mit signifikantem Ausbau zu erkennen. Insgesamt ist bei der Windenergie an Land etwa eine Verdreifachung der Nennleistung bis 2045 zu erwarten. Einzelne Regionen wie die Westküste in Schleswig-Holstein, die westfriesische Nordseeküste, aber auch das Paderborner Land weisen bereits heute Leistungen nahe dem langfristigen Ziel auf. Gleichermaßen ist zu erkennen, dass in manchen Regionen praktisch kein Ausbau der Windenergie zu erwarten ist. Beispiele hierfür sind die Rhein-Main-Metropolregion, das Ruhrgebiet sowie der Nationalpark Harz.
Photovoltaik
Bei der Regionalisierung der Photovoltaik werden Aufdach-PV-Anlagen und Freiflächenanlagen getrennt betrachtet. Denn bei der Potenzialanalyse gehen unterschiedliche Flächenkulissen und Daten ein. Daher wird der Zubau mit zwei verschiedenen Modellen simuliert. Die Unterschiede in den Modellen liegen vor allem in rechtlich-technischen Rahmenbedingungen des Zubaus begründet. So werden große EEG-geförderte Freiflächenanlagen beispielsweise oft an Autobahn- und Schienenrandstreifen gebaut, während die meisten Aufdach-PV-Anlagen auf Einfamilienhäusern entstehen. Dies spiegelt sich in der räumlichen Anlagenverteilung wider.
Bei der Aufdach-PV zeigen sich starke flächige Zunahmen besonders im Süden und Westen Deutschlands. „Ein Ergebnis der unterschiedlichen Strahlungs- und Gebäudeverteilung“ erläutert Pape. „Da der Zubau außerdem aus historischen Daten extrapoliert wird, zeigen bislang weniger aktive Kommunen auch zukünftig relativ wenig Ausbau.“
Bei den PV-Freiflächenanlagen kommen neben der Einstrahlung die Flächenverfügbarkeit und der Bodenwert zum Tragen. Neben der bevorzugten Nutzung von Autobahn- und Schienenrandstreifen ist auch hier ein verstärkter Zubau im Süden zu verzeichnen. Weiterhin wird in den neuen Bundesländern ein dynamischer Ausbau erwartet, da dort schon heute viele Anschlussgesuche vorliegen, die ebenfalls in die Zukunft extrapoliert werden.
„Mit unserer Studie liefern wir den Übertragungsnetzbetreibern eine detaillierte Grundlage, um das Netz vorausschauend zu entwickeln und die Erneuerbaren in die Fläche zu bringen. So helfen wir mit, die Energiewende planbar zu machen“, resümiert Studienleiter Pape vom Fraunhofer IEE.