Die Staatliche Steueruniversität der Ukraine in Irpin bei Kiew, in der zentral der Nachwuchs für die gesamte Steuerverwaltung des Landes ausgebildet wird, wurde während des russischen Angriffskrieges fast vollständig zerstört. Eine große Zahl der Dozentinnen und Dozenten sowie der Studierenden sind ins Ausland geflohen, die Lehre findet trotzdem weiter online und unter schwierigsten Bedingungen statt. Jetzt erhält die Universität Unterstützung von der Hochschule für Finanzen (HSF) in Nordrhein-Westfalen. HSF-Leiterin Claudia Potthoff-Kowol und Dmytro Serebrianskyi, Direktor der ukrainischen Steueruniversität, unterzeichneten jetzt in der HSF-Zentrale im historischen Wasserschloss Nordkirchen eine Kooperationsvereinbarung. Sie besiegelten so im Beisein der ukrainischen Generalkonsulin Iryna Shum und des Ministers der Finanzen Dr. Marcus Optendrenk als Schirmherr eine Partnerschaft, die langfristig tragen soll.
„Unsere Kooperationsvereinbarung zeigt der Ukraine einmal mehr, dass Nordrhein-Westfalen dauerhaft und unverrückbar an ihrer Seite steht. Das gilt für die aktuelle Kriegszeit, aber auch ausdrücklich für die Zeit danach“, erklärt Minister Dr. Optendrenk. „Wir glauben an eine Zukunft des Friedens in Europa mit einer starken, unabhängigen, demokratischen Ukraine. Unsere Partnerschaft kann der ukrainischen Finanzverwaltung zudem dabei helfen, steuerpolitische EU-Standards zu implementieren, und so einen raschen Beitritt zur Europäischen Union fördern.“
„Die Steueruniversität Irpin wie auch die Stadt selbst wurde durch den russischen Angriff in großem Umfang zerstört. Doch auch unter diesen Bedingungen zeigt das Universitätsteam eine beispielhafte Resilienz und blickt in die Nachkriegszukunft“, sagt Generalkonsulin Iryna Shum anlässlich der Feierlichkeiten. „Die Unterzeichnung der Vereinbarung mit der Hochschule für Finanzen Nordkirchen ist ein wichtiger Schritt beim Aufbau interinstitutioneller Beziehungen zwischen der Ukraine und Nordrhein-Westfalen. Diese Synergie ist für die Unterstützung in schwierigen Zeiten von großer Bedeutung, aber auch als Austausch von Erfahrungen für die Zukunft, die die Ukraine beim Wiederaufbau nach dem Krieg und bei der europäischen Integration benötigen wird“.
Europaminister Nathanael Liminski hatte sich vergangene Woche im Rahmen eines zweitägigen Besuchs in der Ukraine persönlich einen Eindruck von der Lage vor Ort gemacht. Auf Einladung der nationalen Regierung führte er zudem politische Gespräche im Rahmen einer internationalen Wiederaufbaukonferenz in Kiew.
Minister Liminski: „Irpin wurde schwer getroffen von der willkürlichen und grenzenlosen Zerstörungswut des russischen Aggressors. Viele Gebäude wurden zerstört, die Bilder und Erfahrungen haben sich tief in die Köpfe der Menschen eingebrannt. Gleichzeitig spürt man den unbedingten Wunsch, zu einem normalen und friedlichen Leben zurückzukehren. Das zentrale Ziel der Ukrainerinnen und Ukrainer ist die europäische Integration und der EU-Beitritt. Auf diesem Weg unterstützen wir sie als Landesregierung. Die neue Partnerschaft zwischen der Hochschule für Finanzen und der ukrainischen Steueruniversität in Irpin füllt diese Unterstützung mit weiterem Leben. Als Land können wir bei vielen Themen konkreter helfen als der Bund, die Verbesserung der Verwaltung gehört ganz zentral dazu.“
Im Vorfeld der Unterzeichnung hatten sich Vertreterinnen und Vertreter von HSF, Steueruniversität in Irpin sowie des Ministeriums der Finanzen Anfang März getroffen und den Rahmen für die künftige Zusammenarbeit abgesteckt. Ziel ist, dass der direkte Austausch der Studierenden aus Nordrhein-Westfalen und der Ukraine durch das Abhalten gemeinsamer Seminare zu internationalen steuerrechtlichen Themen gefördert wird.
Das Institut für Internationales Steuerrecht Ifitax an der HSF hat bereits begonnen, Veranstaltungen für Studierende aus der Ukraine zu öffnen – bis zu 600 sollen virtuell künftig zugeschaltet werden können. Eine Expertenrunde beider Hochschulen berät zudem, wie neue Vorlesungen und Module auf die Bedürfnisse der angehenden Steuerfachleute aus der Ukraine maßgeschneidert werden können. Auch der Dialog auf Dozenten- und Verwaltungsebene sowie persönliche Studierendenbegegnungen sollen gefördert werden.
„Für unsere Studierenden und Lehrenden ist es wichtig, endlich aus dem akuten Krisenmodus herauszukommen und nach vorn zu schauen“, erklärt der Direktor der Steueruniversität Dmytro Serebrianskyi, der eigens zum Festakt angereist ist. „Der Austausch mit der Hochschule für Finanzen hilft uns nicht nur bei der Ausbildung unseres Nachwuchses, sondern gibt auch wechselseitig wertvolle Impulse für eine Internationalisierung. Die Zusammenarbeit über Staatsgrenzen hinweg ist so wichtig für unser geeintes Europas. Wir hoffen, dass Irpin und Nordkirchen eine lange, fruchtbare Freundschaft verbinden wird. Sehr dankbar bin ich unserem Honorarprofessor Dr. Wolfgang Boochs, dass er den Kontakt nach Nordrhein-Westfalen hergestellt hat.“ Dr. Boochs, ehemaliger Finanzbeamter und Steuerberater aus Willich, hatte Ende 2022 den Kontakt zwischen der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung und der ukrainischen Steueruniversität hergestellt.