Der Wissenschaftsbetrieb und die Klimakrise

Prof. Dr. Jens Eisert

Prof. Dr. Jens Eisert leitet die Gruppe Quantenrechnen und -simulation an der Freien Universität Berlin und dem HZB. Der theoretische Physiker erhielt vor kurzem einen Advanced ERC-Grant für sein Forschungsprojekt „DebuQC“ vom Europäischen Forschungsrat ERC. Aber Eisert ist nicht nur ein ausgezeichneter Wissenschaftler, sondern denkt auch über die globale Klimaerhitzung nach. Im letzten Jahr publizierten sein Team und er unter Initiative von Ryan Sweke einen Vorschlag, der Beachtung verdient: Wissenschaftliche Publikationen zu Themen der theoretischen Physik oder Chemie könnten eine Tabelle anhängen, in der die Treibhausgase aufgeführt werden, die bei der Forschung emittiert wurden.


Herr Prof. Eisert, worum geht es Ihnen ?

Wissenschaft ist wichtig: Sie ist die Grundlage unseres Wissens, eine kulturelle Tätigkeit, der Motor unseres Wohlstands. Aber nicht umsonst zu haben, wir brauchen Rechenleistung und Labore, wir fliegen zu Konferenzen. Das alles setzt Treibhausgase frei und befördert die Klimaerhitzung. Das sollte man transparent machen und bei jeder Arbeit mit ihm Blick haben, finde ich. Es geht ums Bewusstwerden.

Wie kam die Idee auf?

Wir haben an einer gemeinsamen wissenschaftlichen Publikation gearbeitet, und aus Interesse ausgerechnet, wieviel Treibhausgase diese Arbeit erzeugt hat. Es war überraschend viel. Dann haben wir ein kleines Seitenprojekt daraus gemacht, ein Programm geschrieben, mit dem man einfach eine Tabelle erzeugen kann, die übersichtlich aufzeigt, wieviel Treibhausgase die eigene Forschungsarbeit generiert. Diese Tabelle haben wir an unser eigenes Paper angeheftet, es war eine Arbeit in Communications Physics, ein Journal aus der Nature-Gruppe. Dann haben uns die Editoren von Communications Physics kontaktiert und uns überzeugt, ein zusätzliches Paper zum Thema zu verfassen. Das haben wir natürlich gerne gemacht.

Welche Erkenntnisse haben Sie überrascht?

Ein bemerkenswerter Punkt ist, wie groß die Zahlen sind, die da herauskommen. Ich bin ja theoretischer Physiker, nutze also kein Labor. Aber die Großrechner und selbst die Rechnercluster, die wir lokal verwenden, haben einen gewaltigen CO2-Abdruck, einige Tonnen, wie beim Fliegen. Und das viele Fliegen kommt dann noch dazu. Was mich manchmal auch ärgert, ist diese „Trefferitis“. Zweifelsohne geht es in der Wissenschaft nicht ohne Tafelzeit, ohne Diskussion. Aber viele gerade administrative Treffen müssen nicht sein. Oft muss ich anreisen, weil mich die Geldgeber dazu verpflichten. Manchmal habe ich den Eindruck, dass manche Treffen an schönen Orten stattfinden, nur damit es Bilder mit tollem Hintergrund gibt. Das verursacht viele unnötige Emissionen und das könnte man überdenken.

Ist es aufwändig, so eine Tabelle zu erstellen?

Nein, überhaupt nicht. Wir haben eine Webseite erstellt, die führt Schritt für Schritt durch den Prozess, das dauert maximal eine Stunde, wenn überhaupt.

Wie werden Emissionen gewertet, für die Ausgleichszahlungen geleistet wurden?

Die Emissionen sind ja auf jeden Fall entstanden, also zählen wir sie mit. Wir fragen trotzdem, ob ein Ausgleich geleistet wurde.

Wie viele praktizieren das?

Ich habe in meinem Fachgebiet nun einige Publikationen gesehen, die das aufgenommen haben. Aber es könnten noch mehr werden, finde ich.

Was wäre Ihr Wunsch?

Nochmal, natürlich wollen wir uns manchmal treffen, und dann muss auch Zeit für Gespräche sein. Einen kurzen Austausch, auch einen kurzen Vortrag, bekommt man aber auch gut virtuell hin. Was mich stört ist: Viele Organisationen bekennen sich zum Klimaschutz, aber setzen das nicht um, es ist dann nur eine PR-Floskel. Ich bin da eher pragmatisch, also fürs Umsetzen, nicht fürs Reden! Das wäre auch familienfreundlicher. Neulich habe ich ein Formular ausgefüllt, zur Work-Life-Balance. Mehrere Seiten, Zeit dafür hatte ich erst gegen 23:00, und das, wo meine Arbeitstage kurz nach 4:00 beginnen. Das meine ich. Es muss einfach sein. Fragen Sie meine Frau und mein Kind. Beim Klimaschutz geht es auch darum, sich bewusst zu machen, was man beiträgt, und dann zu hinterfragen, was davon notwendig ist.

Das Gespräch führte Antonia Rötger