Seit einigen Jahren wird in der ökologischen Forschung die These vertreten, das Klima habe oft keinen bestimmenden Einfluss auf die Verbreitung von Wäldern und Savannen in tropischen Regionen. Einem internationalen Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Steven Higgins an der Universität Bayreuth ist jetzt aber der Nachweis gelungen, dass es meistens von klimatischen Faktoren abhängt, ob Regionen in Afrika von Wald oder Savanne bedeckt sind. Die in „Science“ veröffentlichte Studie bekräftigt somit die dominante Rolle des Klimas für die Herausbildung globaler Vegetationsmuster.
Die Studie ist aus einer engen Zusammenarbeit der Bayreuther Pflanzenökologen mit wissenschaftlichen Partnern in Norwegen und Südafrika hervorgegangen. „Unsere Untersuchungen zur Verbreitung von Wäldern und Savannen in Afrika zeigen einen dominierenden Einfluss des Klimas auf die Vegetation.
Die Forschungsergebnisse stärken daher die Annahme, dass wissenschaftlich gut begründete Prognosen in Bezug auf den Klimawandel eine verlässliche Basis sind, um bevorstehende Veränderungen von Ökosystemen und Vegetation richtig einschätzen zu können – nicht allein in Afrika, sondern auch in anderen Regionen der Erde“, sagt Erstautor Prof. Dr. Steven Higgins, Inhaber des Lehrstuhls für Pflanzenökologie an der Universität Bayreuth. Er fügt hinzu: „Klimaforschung und Pflanzenökologie können gemeinsam dazu beitragen, dass im Natur- und Umweltschutz, aber auch in der Land- und Forstwirtschaft geeignete Maßnahmen zur Anpassung an die bereits heute absehbaren Veränderungen in der Pflanzenwelt entwickelt werden.“
Gleichzeitig warnen die Autoren der Studie vor Maßnahmen, die den Einfluss des Klimas auf die Vegetation unterschätzen. So gibt es derzeit Bestrebungen, Savannenregionen in Afrika aufzuforsten, damit Waldgebiete CO₂ aus der Atmosphäre binden. Diesen Klimaschutz-Plänen liegt die – durch die neuen Forschungsergebnisse widerlegte – Annahme zugrunde, Wälder und Savannen seien Vegetationsformen, die unter gleichen Klimabedingungen vorkommen können.
„Die Annahme, die natürliche Kohlenstoffspeicherung auf der Erde lasse sich durch eine großräumige Umwandlung afrikanischer Savannen in Waldgebiete steigern, ist verfehlt und sogar gefährlich. Derartige Aufforstungen hätten voraussichtlich wenig Erfolg, da die Waldplantagen unter diesen Klimabedingungen nicht lange überdauern können. Sie würden aber die Biodiversität der Savannenökosysteme beschädigen“, sagt Dr. Timo Conradi, Ko-Autor der Studie, vom Lehrstuhl für Pflanzenökologie.
Modell entkräftet das Paradigma der alternativen Ökosystemzustände
Die Auffassung, das Vorkommen von Wäldern und Savannen in Afrika sei nicht durch spezifische Klimafaktoren bestimmt, folgt einem Paradigma, das in der ökologischen Forschung zunehmend Anerkennung gefunden hat. Es geht von der Hypothese aus, dass es in vielen Regionen der Erde „alternative Ökosystemzustände“ – kurz: AES (alternative ecosystem states) – gebe. Diese seien nicht oder jedenfalls nicht primär durch das Klima bedingt. Begründet wird die Hypothese damit, dass die Eigendynamik mancher Ökosysteme die Auswirkungen klimatischer Faktoren überlagere und abschwäche. In diesem Zusammenhang wird die Beobachtung, dass Wälder und Savannen in sehr ähnlichen Klimaregionen zu finden sind, zur Relativierung der Klimaeinflüsse und zur Bestätigung der AES-Hypothese herangezogen.
Die Entkräftung dieses Paradigmas bildet den Kern der in „Science“ veröffentlichten Studie. Die Autoren haben ein bewährtes Modell des Pflanzenwachstums verwendet und es mit umfangreichen Daten verknüpft, die sich einerseits auf Klimafaktoren und andererseits auf die regionale Verbreitung von Pflanzenarten in Afrika beziehen. Ein von ihnen entwickeltes Verfahren, die „phytoklimatische Transformation“, beschreibt, wie unterschiedliche Klimafaktoren das Wachstum von Pflanzenarten begünstigen oder behindern.
Das Verfahren kann aus jeder möglichen Kombination von Temperatur, Bodenfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung und atmosphärischer CO₂-Konzentration ableiten, welche Pflanzenarten unter diesen Bedingungen gedeihen. Auf diese Weise wurden insgesamt 678 Standorte in Afrika unter dem Aspekt klassifiziert, ob sie sich vorzugsweise für die Entstehung von Wäldern oder von Savannen eignen. Zu 89 Prozent stimmten die Berechnungen mit den tatsächlich existierenden Vegetationsformen überein.
Fehlende Übereinstimmungen sind, wie die Wissenschaftler nachweisen konnten, nicht notwendigerweise mit einer Eigendynamik von Ökosystemen zu erklären. Sie lassen sich vielmehr zu einem großen Teil auf abiotische Umweltfaktoren zurückführen: Hierzu zählen vor allem topografische Gegebenheiten wie die Strukturierung der Landschaft durch Berge und Täler, aber auch die Beschaffenheit von Böden und mikroklimatische Einflüsse, die beispielsweise von Wasserfällen oder Flussauen ausgehen.
Die Autoren stellen nicht grundsätzlich infrage, dass alternative Ökosystemzustände existieren. „Das AES-Konzept ist theoretisch fundiert und eröffnet spannende Forschungsperspektiven, zudem enthält die wissenschaftliche Literatur eine Handvoll guter Beispiele. In der Praxis ist es jedoch sehr schwierig, die Existenz von AES nachzuweisen. Wir denken also, dass es alternative Ökosystemzustände gibt, aber wir müssen herausfinden, wie häufig sie wirklich sind, und die Bedingungen besser verstehen, die ihre Existenz begünstigen“, erklärt Prof. Dr. Steven Higgins.