Wasserstoff ist das am meisten verbreitete Element im Universum. Es bestimmt die Eigenschaften von Sternen und Planeten und ist entscheidend für das Leben auf der Erde – nicht zuletzt durch seine Rolle für die klimaneutrale Energieversorgung. Generationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Physik und Chemie haben Wasserstoff sehr intensiv erforscht, sowohl in Experimenten als auch mithilfe von Computer-Simulationen. Trotz seines sehr einfachen Aufbaus – ein Wasserstoff-Atom besteht nur aus einem Elektron und einem Proton – sind nach wie vor viele Eigenschaften nicht abschließend geklärt.
Jetzt hat ein Forschungsteam von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) eine weitere überraschende Eigenschaft von Wasserstoff vorhergesagt: Das Element zeigt ein ungewöhnliches „Roton-artiges Verhalten“, wenn es unter hohem Druck komprimiert wird. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass Röntgenlicht an dichtem Wasserstoff auf ungewöhnliche Weise gestreut wird. Dabei übertragen die Röntgenphotonen Energie an die Elektronen, die umso größer ist, je größer der übertragene Impuls ist. In dichtem Wasserstoff kann dagegen die Energie bei wachsendem Impuls-Übertrag auch abnehmen.
Das wurde vorher nur in völlig anderen Systemen gefunden, wie in exotischen sogenannten Bose-Flüssigkeiten nahe am absoluten Temperatur-Nullpunkt. Solche Flüssigkeiten sind zum Beispiel suprafluide, Quanteneffekte treten in ihnen auf und sie können nicht mehr mit der klassischen statistischen Mechanik beschrieben werden.
„Diese Eigenschaft von Wasserstoff wird durch die Elektronen hervorgerufen, die nicht in Atomen gebunden sind“, erläutert Professor Michael Bonitz vom Institut für Theoretische Physik und Astrophysik der CAU. Er leitete das Kieler Forschungsteam. Dr. Tobias Dornheim vom HZDR beschreibt das Verhalten der Elektronen: „Wird Wasserstoff mit Röntgen-Photonen einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt, so können sich Elektronen ungewöhnlich nah kommen und sogar Paare bilden, obwohl sie sich abstoßen.“
Das Forschungsteam hat in seinen Computersimulationen genaue Vorhersagen erarbeitet, bei welchen Parametern dieses Roton-Verhalten beobachtbar sein sollte. Nun liegt es an Forschenden der Experimentalphysik, das auch praktisch nachzuweisen.