Ausländische Investoren werden eine Schlüsselrolle beim Wiederaufbau der Ukraine spielen. Diese benötigen jedoch ein sicheres Investitionsklima. In einem durch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Juni 2023 ergangenen Erlass wurde angekündigt, die Einrichtung eines Gerichts zu prüfen, das für den Schutz der Rechte von Investoren und Investitionen zuständig ist. Ein solches Gericht könnte in der Ukraine deutlich zur Verbesserung des Investitionsklias beitragen.
Schaffung eines eigenständigen Gerichts für Investoren
Die Schaffung eines eigenständigen Gerichts für den Schutz von Investoren wurde von der ukrainischenRegierung bereits zu einem früheren Zeitpunkt ins Gespräch gebracht. Im Januar 2020 rief Präsident Wolodymyr Selenskyj auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos zu Investitionen in der Ukraine auf und ermutigte potenzielle Investoren mit einem Programm namens „Investment Nanny“. Im Dezember 2020 verabschiedete die Werchowna Rada der Ukraine daraufhin das Gesetz „Zur staatlichen Unterstützung von Projekten mit bedeutenden Investitionen“ (Gesetzentwurf Nr. 3760 vom 01.07.2020). Dieses Gesetz zielte darauf ab, Investoren organisatorische, informatorische und beratende Unterstützung zu gewähren und für neue Investoren, die mehr als 20 Millionen Euro in der Ukraine investieren und mindestens 80 Arbeitsplätze schaffen, weitere Vorteile und Vergünstigungen zu schaffen.
Schiedsgericht als „Schnelllösung“
Darüber hinaus erwähnte der damalige ukrainische Ministerpräsident Oleksij Hontscharuk in Davos die Möglichkeit der Einrichtung eines separaten Schiedsgerichts in der Ukraine, das als eine Art „Schnelllösung“ dienen könne, während die Justizreform in Gang gebracht werde. Er wies darauf hin, dass eine solche Entscheidung für Investitionsstreitigkeiten mit einem Streitwert von weniger als zehn Millionen US-Dollar von Bedeutung sein könne.
Gesetz zur Investitionsförderung führte nicht zu mehr Investitionen
Es stellte sich heraus, dass das genannte Gesetz zur Investitionsförderung nicht zu mehr Investitionen führte. Selbst nachdem das Gesetz im April 2023 geändert wurde, um die Bedingungen für Investoren zu vereinfachen – Senkung der Investitionsschwelle und der Anzahl der zu schaffenden Arbeitsplätzen – und die staatliche Unterstützung auszuweiten, gelang es nicht, den Kreis der Investoren zu erweitern. Einer der Gründe dafür ist natürlich der umfassende Krieg – und damit der Zeitpunkt.
Gleichzeitig werden jedoch ausländische Investitionen eine Schlüsselrolle beim Wiederaufbau der Ukraine spielen, wenn es darum geht, die schrecklichen Folgen des Krieges zu überwinden. Auch im Zusammenhang mit der Beschleunigung der Justizreform auf dem Weg zur EU-Integration gewann deshalb die Idee der Schaffung eines Gerichts für den Schutz von Investoren im politischen Diskurs an Dynamik.
Wie könnte ein Gericht für Investoren aussehen?
Derzeit werden unterschiedliche Konzepte für ein solches Gericht diskutiert. Eine Idee besteht darin, ausländische Gerichtsbarkeiten in der Ukraine einzuführen. In diesem Zusammenhang verweisen viele Experten auf die Erfahrungen Kasachstans, wo das Astana International Financial Centre geschaffen wurde, dessen Gericht ausschließlich englischem Recht unterliegt. Die Zuständigkeit des Gerichts, des Astana International Financial Centre Court, erstreckt sich auf die Mitglieder des Zentrums. Diese Praxis bietet den Investoren nicht nur besondere Steuerregelungen, niedrige Körperschaftssteuersätze und andere Vorzüge. Sie schafft auch ein attraktives Investitionsklima durch Fairness und Unparteilichkeit der Gerichte. Das englische Recht, auch als case law bekannt, garantiert den Investoren auch ein gewisses Maß an Sicherheit.
Zugleich gibt es aber auch Vorbehalte, beispielsweise in Bezug auf Streitfälle mit dem Staat. Denn um eine Klage gegen den Staat einzureichen, muss sich ein Investor an das Bezirksgericht in Astana wenden. Damit dieses Konzept wirklich funktioniert, muss daher festgelegt werden, auf welchen Ebenen der Rechtsbeziehungen die Zuständigkeit eines solchen Gerichts liegen soll, das heißt wie die Verantwortung des Staates sichergestellt werden kann.
Stärkung der bestehenden Institutionen
Eine weitere Idee besteht in der Stärkung der bestehenden Institutionen: Statt etwas Neues zu schaffen, sollte man sich vergewissern, ob es nicht bereits eine Institution gibt, unter deren Dach die Frage der Beilegung von Investitionsstreitigkeiten integriert werden könnte. Eine solche alternative Lösung wäre etwa die Schaffung eines Gericht unter dem Obersten Gericht für geistiges Eigentum.
Darüber hinaus gibt es den Vorschlag, dass Investitionsstreitigkeiten vor den bestehenden Handelsgerichten verhandelt werden sollten, um eine Ungleichbehandlung von inländischen Investoren zu vermeiden und die schiedsgerichtliche Beilegung solcher Streitigkeiten zu stärken.
Befürworter eines Gerichts für den Schutz von Investoren
Zu den Befürwortern der Schaffung eines Gerichts für den Schutz ausländischer Investitionen gehört Oleksandr Mereschko, Vorsitzender des Ausschusses für Außenpolitik und interparlamentarische Zusammenarbeit der Werchowna Rada. Im Jahr 2020 beschrieb Merezhko auf Facebook sein Konzept für ein solchen Gerichts im Detail: Wer kann sich an das Gericht wenden? Wie wird sich das Gericht von einem Schiedsgericht unterscheiden und welche Rechtsquellen könnte ein solches Gericht haben? Mereschko geht außerdem davon aus, dass sich das Gericht anschließend nicht nur mit Fällen ausländischer Investoren befassen wird, sondern auch mit Klagen inländischer juristischer Personen.
Internationale Unterstützung kann die Umsetzung beschleunigen
Auch Ruslan Stefantschuk, Präsident der Werchowna Rada und Rechtswissenschaftler, befürwortet weitere Überlegungen zu den unterschiedlichen diskutierten Konzepten: der Einführung ausländischer Gerichtsbarkeiten und der Anhörung von Fällen unter dem Obersten Gericht für geistiges Eigentum. Die Unterstützung der Initiative auf internationaler Ebene könnte die Entwicklung eines verlässlichen Konzepts – und damit auch die Schaffung des eigenständigen Gerichts zum Schutz der Rechte von Investoren – beschleunigen.
Transparenz und Unparteilichkeit durch die Europäische Kommission
Die Europäische Kommission schuf einen speziellen Mechanismus, um Mittel für die Ukraine zu gewinnen: Diesogenannte „Ukraine-Fazilität“ beruht auf drei Säulen, von denen eine in einem speziellenInvestitionsprogramm für die Ukraine besteht, um Gelder für den Wiederaufbau zu gewinnen. ImZusammenhang mit diesem Mechanismus der Europäischen Kommission kann die Interessenvertretung im Zusammenhang mit dem Gericht für den Schutz der Rechte von Investoren dazu beitragen, Transparenz und Unparteilichkeit von Streitbeilegungsmechanismen zu gewährleisten und ein günstiges Umfeld für die Umsetzung einer solch wichtigen Initiative zu schaffen.
Schlussfolgerungen
Die Schaffung eines separaten Gerichts für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten stellt sicher keinen umfassenden Ansatz im breiten Kontext der Reform des Justizsystems und der Überwindung der Korruption dar. Dennoch ist ein solches Gericht zum Schutz von Investoren eine gute Idee. Die Schaffung des Gerichts könnte ein wichtiges Element der umfassenden Justizreform sein – und das Gericht in Zukunft schrittweise in das ukrainische Justizsystem integriert werden. Ausländische Investoren könnten darauf vertrauen, dass sie in der Ukraine vor einem solchen Gericht eine faire Entscheidung erhalten würden. Das würde den Zufluss von Investitionen in die Ukraine erhöhen, ein angemessenes Maß an Vertrauen in die ukrainischen Institutionen gewährleisten und eine wichtige Entwicklung auf dem Weg zur Umsetzung des Besitzstands der EU darstellen.