In der Ukraine haben Kinder mit einem weitreichenden Lernrückstand zu kämpfen. Verschlechterte Sprachkenntnisse sowie Defizite beim Lesen und in Mathematik tragen dem Umstand Rechnung, dass die Schülern aufgrund des Krieges und der vorausgegangenen Corona-Pandemie seit bald vier Jahren mit Unterbrechungen des Unterrichts konfrontiert sind.
„In der Ukraine gehen die Angriffe auf Schulen unvermindert weiter. Die Kinder sind in großer Gefahr und haben keinen sicheren Ort zum Lernen. Die ukrainischen Kinder haben nicht nur Schwierigkeiten, neues Wissen zu erlangen, sondern auch zu behalten, was sie gelernt haben, als die Schulen noch funktionsfähig waren”, so Regina DeDominicis, UNICEF-Regionaldirektorin für Europa und Zentralasien, nach ihrem Besuch in der Ukraine vor einigen Tagen.
Aktuellen Umfragen zufolge berichtet mehr als die Hälfte der Lehrkräfte von einer Verschlechterung der Sprachkenntnisse – sowohl im Hinblick auf die Landessprache als auch auf die Fremdsprachen. Bis zu 45 Prozent der Lehrer*innen sehen einen Rückgang der Mathematikkenntnisse.
Die Zahlen zeigen, dass nur ein Drittel der Schulkinder in der Ukraine im Grund- und Sekundarschulalter vollständig in Präsenz lernt. Ein Drittel lernt mittels eines Hybridkonzepts aus Präsenz- und Online-Unterricht, und ein Drittel lernt vollständig online.
Der Online-Unterricht kann den persönlichen Schulbesuch ergänzen und eine kurzfristige Alternative bieten, aber den Präsenzunterricht nicht ersetzen. Dieser ist für die soziale Entwicklung und grundlegendes Lernen besonders bei jüngeren Kindern unverzichtbar. Die bereits angestoßene Bildungsreform in der Ukraine ist für die Zukunft des Landes von entscheidender Bedeutung.
Zwei Drittel der Kinder im Vorschulalter besuchen momentan keine Einrichtung. Wichtige frühkindliche Kenntnisse können ihnen nicht vermittelt werden. In der Nähe der militärischen Frontlinien schicken drei Viertel der Eltern ihre Kinder nicht in die Vorschule.
In den Aufnahmeländern beginnt für geflüchtete Kinder aus der Ukraine ein weiteres unsicheres Schuljahr. Mehr als die Hälfte der Kinder besucht keine Schulen vor Ort, am stärksten sind das Vorschul- und das Sekundarschulalter betroffen. Die Gründe liegen in Sprachbarrieren, Schwierigkeiten bei der Aufnahme in Schulen und überlasteten Bildungssystemen.
Geflüchtete Kinder, die in ihren Aufenthaltsländern keine Schulen besuchen, versuchen teilweise, über ukrainische als auch andere Lernportale zu lernen. Es wird befürchtet, dass einige Kinder ihre Schulausbildung momentan ganz aufgegeben haben.
Schulen sind mehr als nur ein Lernort
In Krisen- oder Kriegszeiten bieten Schulen Kindern weit mehr als nur einen Ort zum Lernen. Sie können Kindern, die Verlust, Vertreibung und Gewalt erlebt haben, ein Gefühl von Routine und Sicherheit vermitteln und geben ihnen die Möglichkeit, Freundschaften zu schließen und Unterstützung durch Lehrkräfte zu erhalten. In vielen Fällen haben sie über die Schule Zugang zu Impfungen, Schulmahlzeiten und Angeboten zur Förderung der mentalen Gesundheit und des Wohlbefindens. Jugendliche sind besonders verletzlich, da die natürliche physische und psychische Vulnerabilität ihrer Altersgruppe durch Unterbrechungen ihrer Ausbildung und Stress noch verschärft wird.
UNICEF kooperiert mit Regierungen und Partnern in der Ukraine und den Aufnahmeländern, um den Zugang zu qualitativ hochwertigen Bildungsangeboten zu verbessern. Dazu gehören die Eingliederung von Kindern in die nationalen Bildungssysteme und unterschiedliche Lernoptionen für Kinder, die nicht am Schulunterricht in Präsenz teilnehmen.
Darüber hinaus werden Lehrkräfte und Schulpersonal mit den notwendigen Kompetenzen ausgestattet, um alle Kinder in den Unterricht zu integrieren, und Sprachkurse sowie psychologische und psychosoziale Unterstützung angeboten.
UNICEF arbeitet gemeinsam mit der ukrainischen Regierung am Wiederaufbau des Bildungswesens. Dazu gehören auch die Sanierung von Schulen und dringend benötigter Nachholunterricht in den Kernfächern mit dem Ziel, 300.000 von Lernrückständen bedrohte Kinder in der Ukraine im kommenden Schuljahr zu unterstützen. Längerfristig sollen frühkindliche Bildungseinrichtungen und -angebote gestärkt werden.