Bis 2035 soll der in Deutschland erzeugte Strom vollständig aus erneuerbaren Quellen stammen. Ein überwiegend aus Sonne und Wind erzeugtes Stromangebot wird aber im Tagesablauf schwanken. Daher untersucht das seit 2016 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Kopernikus-Projekt SynErgie, wie energieintensive Unternehmen ihre Nachfrage flexibel an das Stromangebot anpassen können. Seitens der Universität Bayreuth erforscht Prof. Dr. Knut Werner Lange, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Handels- und Wirtschaftsrecht, die rechtlichen Rahmenbedingungen. Vor kurzem startete die dritte Phase des bundesweiten Großprojekts.
Prof. Dr. Knut Werner Lange ist Direktor der Forschungsstelle für deutsches und europäisches Energierecht (FER) an der Universität Bayreuth. Er befasst sich im Rahmen seiner Forschungsarbeiten für SynErgie mit den Möglichkeiten der Vertragsgestaltung, die Unternehmen aufgrund der in Deutschland geltenden Rechtslage offenstehen, wenn sie ihre Stromnachfrage flexibler gestalten wollen.
Darüber hinaus untersucht er aus juristischer Perspektive die Frage, wie eine intensivere Vernetzung und Zusammenarbeit von Unternehmen, insbesondere von kleinen und mittelständischen Firmen, diese Flexibilisierung voranbringen kann. Die Unternehmen sollen in die Lage versetzt werden, ihre Nachfrage dem Umfang des jeweils existierenden Stromangebots und den dadurch bedingten Preisen anzupassen, ohne dass die Qualität der Produkte beeinträchtigt wird.
In der Forschung wird diese kontinuierliche Anpassung der Nachfrage als „Demand Side Management“ bezeichnet. Sie ist für eine klimaneutrale Energiewirtschaft auf der Basis erneuerbarer Energien unabdingbar, denn die Nachfrage im Stromnetz muss jederzeit genauso hoch oder niedrig sein wie das ins Stromnetz eingespeiste Angebot. Andernfalls würde das Stromnetz zusammenbrechen.
Nach der derzeitigen Rechtslage ergeben sich für die Industrie allerdings kaum Anreize, proaktiv auf eine Flexibilisierung ihrer Stromnachfrage hinzuarbeiten. Die Entgelte für die Nutzung des Stromnetzes orientieren sich bis heute an einem konstanten Stromverbrauch, statt Maßnahmen der Flexibilisierung zu belohnen.
„Seitens der Universität Bayreuth waren wir unter rechtswissenschaftlichen Aspekten federführend an einem SynErgie-Positionspapier beteiligt, das zahlreiche, systematisch aufeinander bezogene Handlungsempfehlungen für die Politik und den Gesetzgeber präsentiert. Es geht dabei vor allem um regulatorische Änderungen, die den Unternehmen eine Flexibilisierung ihrer Nachfrage in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht, aber auch in juristischer Hinsicht erleichtern. In der neuen Förderphase werden wir diese Ansätze weiter konkretisieren und in Zusammenarbeit mit energieintensiven Unternehmen in der Praxis erproben“, sagt Lange.
Ein von ihm betreutes Bayreuther Promotionsprojekt, das in diese Forschungsarbeiten eingebunden ist, wird aus dem SynErgie-Projekt gefördert.
Im Rahmen von SynErgie kooperiert die FER der Universität Bayreuth mit der Fraunhofer FIT Projektgruppe Wirtschaftsinformatik, die ebenfalls zu den Projektpartnern von SynErgie zählt und Standorte in Bayreuth und Augsburg unterhält. Diese engen Kontakte sind wichtig, weil juristische Aspekte bei der angestrebten Flexibilisierung der Stromnachfrage oft mit Fragen der Digitalisierung und des Informationsmanagements verknüpft sind.
Das gilt beispielhaft für die „Energiesynchronisationsplattform“. Sie wurde im Rahmen von SynErgie auf der Basis anspruchsvoller digitaler Technologien und Prozesse entwickelt, damit Unternehmen ihre Möglichkeiten zur Flexibilisierung passgenau, wirtschaftlich sinnvoll und in wechselseitiger Abstimmung nutzen können. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung das Kopernikus-Projekt SynErgie im Juli 2023 zu einem von 18 Leuchtturmprojekten für ihre Digitalstrategie erklärt.
Enge Kontakte unterhält die Forschungsstelle für deutsches und europäisches Energierecht an der Universität Bayreuth auch mit dem FIM Forschungsinstitut für Informationsmanagement, einer Einrichtung in gemeinsamer Trägerschaft der Universität Bayreuth und der Technischen Hochschule Augsburg. Es wurde im Juli 2023 feierlich eröffnet. Vorgängereinrichtung ist das Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement (FIM), das Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Ulrich Buhl an der Universität Augsburg initiiert und über zwei Jahrzehnte hoch erfolgreich geleitet hat.