Größere Fledermäuse durch den Klimawandel

​​​​​​​Eine Bechsteinfledermaus hängt in ihrem Quartier, © Christian Giese

Die Körpergröße von Fledermäusen ist eng mit der Umgebungstemperatur während der Wachstumsphase der Jungtiere verknüpft. Mit Hilfe eines mehrjährigen Feldexperiments konnte ein Forschungsteam der Universität Greifswald zeigen, dass dieser Zusammenhang bei Bechsteinfledermäusen direkt von der Temperatur im Tagesquartier bestimmt wird. Mit fortschreitender Klimaerwärmung bei gleichzeitigem Rückgang der Insekten könnte sich dieser direkte Mechanismus negativ auf die Populationsentwicklung dieser Art auswirken. 

Dass größere Bechsteinfledermäuse eine kürzere Lebenserwartung bei einer gleichzeitig höheren Fortpflanzungsrate haben, konnte bereits in kürzlich erschienenen Studien der Arbeitsgruppe Angewandte Zoologie und Naturschutz am Zoologischen Institut der Universität Greifswald durch Auswertung von Langzeitdaten an markierten Individuen gezeigt werden (Mundinger et al. 2022). Analysen in Verbindung mit Klimadaten zeigten, dass die Körpergröße stark von den Umgebungstemperaturen während der Wachstumsphase der Jungtiere abhängt, wobei wärmere Sommer zu größeren Tieren führt (Mundinger et al. 2021, 2023). Bisher blieb jedoch unklar, ob dieser Effekt direkt von der Temperatur getragen wird oder indirekt durch die wärmeabhängige Verfügbarkeit von Insekten, der Nahrungsquelle aller europäischen Fledermausarten, beeinflusst wird.

Um genau dies zu untersuchen, führten die Wissenschaftler ein mehrjähriges Feldexperiment durch, in welchem sie die Quartiere von mehreren freilebenden Kolonien der Bechsteinfledermaus während der Wachstumsphase der Jungtiere künstlich beheizten. Dr. Carolin Mundinger (Universität Greifswald), Co Erstautorin der Studie erklärt: „Für das Experiment entwickelten wir mobile Heizgeräte, mit denen wir die Temperatur der Fledermauskästen über die ersten acht Wochen nach Geburt der Jungtiere konstant bei etwa 30 bis 35 Grad Celsius halten konnten. Dies entspricht dem Temperaturbereich, in welchem die Tiere die geringsten Energiekosten haben, um ihre Körpertemperatur konstant zu halten und den Jungtieren ein kontinuierliches Wachstum zu ermöglichen.“

Durch den Vergleich der erreichten Körpergröße von Fledermäusen, die in beheizten Quartieren aufwuchsen, mit Fledermäusen aus nicht beheizten Kolonien konnten die Forscher*innen die direkten Auswirkungen der Quartiertemperatur nachweisen. Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Beheizte Fledermäuse wurden im Schnitt deutlich größer.

„Weibliche Fledermäuse dieser Art sind in der Regel etwa fünf Prozent größer als die Männchen, aber in unserem Experiment erreichten die beheizten Männchen eine Körpergröße ähnlich der unbeheizter Weibchen“, erklärt Prof. Gerald Kerth (Universität Greifswald), der die seit 30 Jahren laufende Langzeitstudie an Bechsteinfledermäusen etablierte.

Doch was bedeutet diese Erkenntnis für die streng geschützte Fledermausart in Anbetracht der steigenden Temperaturen durch den menschengemachten Klimawandel sowie den seit Jahren beobachteten Insektenrückgang? Janis Wolf (Universität Greifswald), Co-Erstautor der Studie erklärt es so:

„Die schnellere Fortpflanzungsstrategie größerer Bechsteinfledermäuse kann nur bei jährlich günstiger Insektenverfügbarkeit funktionieren. Wenn nun die Körpergröße der Fledermäuse direkt von der Temperatur beeinflusst wird und gleichzeitig das Insektensterben anhält, könnten sich die wärmeren Sommer langfristig negativ auf die Population der Bechsteinfledermäuse auswirken, da größere Tiere ihren Nahrungsbedarf nicht mehr stillen können.“