Wo liegen EU-weit die ertragreichsten Standorte für Windkraft- und Solaranlagen? Forschern der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS) haben ein „digitales Werkzeug“ für ein optimales Landmanagement zur Nutzung erneuerbarer Energien entwickelt: caREL (Computer-Aided Renewable Energy Language) nutzt als wissenschaftliches Transferprojekt vorhandene Geodaten sowie bereits entwickelte Methoden und Algorithmen und ermöglicht so automatisierte Potenzialanalysen.
Gleichzeitig kann caREL auch die Flächen zeigen, die für die Energiewende seitens der einzelnen Staaten gesichert bzw. bevorratet werden müssen. All dies ist eine notwendige Voraussetzung für die Umsetzung des European Green Deal und den europäischen Plan, noch vor 2030 unabhängig von fossilen Brennstoffen aus Russland zu werden.
Das caREL-Projekt wurde erfolgreich beendet, das Wissen bleibt weiterhin frei verfügbar und befähigt somit die interessierte Geoinformationssysteme-Community (GIS-Community), schnell und effizient voll automatisierte Potenzialanalysen selbst erstellen zu können.
Wertschöpfung durch offene Geodaten für Europa
Mit dem European Green Deal setzt sich die EU das Ziel, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt zu werden. Zu dessen Umsetzung und zur Erreichung der Klimaziele braucht es verhältnismäßig viele Flächen für die Produktion von erneuerbaren Energien. In der EU ist der Flächendruck groß. Alle Länder brauchen Flächen für Wohnraum, Infrastruktur und Landwirtschaft sowie für den Natur- und Landschaftsschutz.
„Angesichts dieser Konkurrenz ist es essentiell, die aussichtsreichsten Flächen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien zu identifizieren und entsprechende Standorte zu nutzen“, so Prof. Dr.-Ing. Robert Seuß, Professor für Geoinformation. Er leitete das caREL-Projekt im Bereich Geodatenmanagement mit Prof. Dr. Martina Klärle, die von der Frankfurt UAS inzwischen als Präsidentin zur Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) wechselte, sowie Prof. Dr.-Ing. Tine Köhler, Professorin für Landmanagement, und Prof. Dr.-Ing. Thomas Hollstein, Professor für Zuverlässige Eingebettete Systeme und KI-basierte Informationsverarbeitung an der Frankfurt UAS.
Wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität
2007 wurde die INSPIRE-Richtlinie als Vorgabe für eine einheitliche Geodatennutzung in der gesamten EU verabschiedet. Die in vielen Ländern zur Verfügung stehenden INSPIRE-Geodaten sind eine ideale Grundlage, um die existierenden Algorithmen und Berechnungsmethoden aus den abgeschlossenen Forschungsprojekten SUN-AREA, WIND-AREA und ERNEUERBAR KOMM! europaweit flächendeckend einzusetzen.
„Automatisierte Potenzial- und Standortanalysen sind kostengünstig und transparent. Planer*innen, Projektierer*innen und Gebietskörperschaften können sich ihrer bedienen. Sie erlauben eine gezielte und wirtschaftliche Nutzung von Windkraft und Solarenergie und sind ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität und den durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten Bedarf für mehr Energieunabhängigkeit“, so Prof. Seuß.
Test in fünf Pilotländern übertraf Erwartungen
In Abhängigkeit von den verfügbaren Daten, u.a. durch INSPIRE sowie Open Data Angebote, wurden fünf Pilotländer definiert, für die caREL zunächst exemplarisch umgesetzt wurde: Estland, Belgien, Slowenien, Dänemark und Spanien. Für jedes dieser Länder wurden zwei Regionen mit jeweils einer Fläche von ca. 25 Quadratkilometern bestimmt – ein städtisches und ein ländliches Gebiet –, für die bereits Beispielberechnungen durchgeführt wurden.
Die Ergebnisse der Potenzialanalysen für Estland und Belgien im Bereich Solarenergie sind sehr vielversprechend. In ihrer Detailschärfe und Aussagekraft stehen sie den SUN-AREA-Solardachkatastern, die für zahlreiche Gebietskörperschaften in Deutschland sowie im inner- und außereuropäischen Ausland bereits existieren, in nichts nach. „Die Daten haben die Erwartungen wegen der leichten Zugänglichkeit und kostenfreien Bereitstellung sogar übertroffen“, so Seuß.
Geodaten als optimales Werkzeug
Das Transferprojekt caREL zeigt, inwiefern durch die Einführung der INSPIRE-Richtlinie die grenzübergreifende Nutzung von Geodaten in Europa erleichtert wird. caREL nimmt dabei die beiden Energieträger Wind und Solar ins Visier und soll zur weiteren Verbreitung der Erneuerbaren Energien in Europa einen wichtigen Beitrag leisten.
Mit dem Use Case der Standort- und Potenzialanalysen für Solar- und Windkraft zeigt das Transferprojekt caREL, dass die bisherige INSPIRE-Standardisierung hinsichtlich Qualität, Struktur und Erreichbarkeit einen weiteren Harmonisierungsschritt benötigt. Zur Umsetzung des European Green Deal und zur Erreichung der Klimaziele braucht es Flächen. caREL soll zeigen, wie die EU-weit vorhandenen Geodaten zu einem optimalen Werkzeug werden können, um diese Flächen zu finden und sie in einfachen und schnellen On-Demand-Szenarien für die Entscheidungsunterstützung der Politik bereitzustellen.
Während der gesamten Projektlaufzeit wurden 73 Unternehmen durch caREL unterstützt und 26 Unternehmen konnten davon profitieren. „Der Wunsch ist, dass diese Zahl sich noch erhöht und Europa die Klimaneutralität erreicht“, so Seuß.
Projektwebseite mit Video-Tutorials
Auf der Projektwebseite (https://www.carel-energy.eu/) sind sowohl Tutorial-Videos als auch schriftliche Anleitungen herunterladbar. Die entwickelten Algorithmen können ebenfalls über die Webseite bezogen werden. Es gibt zudem ein eigens für caREL angelegtes Geoportal, das die Möglichkeit bietet, die vorhandenen Beispielberechnungen zu sichten.