Die Grundwasservorkommen der Welt schwinden

Eine Grundwasserpumpe in Bangladesch. Ahmed Ziaur Rahman

Eine globale Studie zeigt, dass weltweit die Grundwasserpegel immer schneller sinken: Die Pegel sinken weltweit stark, und im 21. Jahrhundert hat sich die Abnahme sogar beschleunigt. Aber es gibt auch Grund zur Hoffnung.

Anfang November titelte die New York Times, dass die USA ihr Grundwasser verbrauchen, als gäbe es kein Morgen. Die Journalisten des renommierten Mediums hatten eine Recherche über den Zustand der Grundwasserreserven in den Vereinigten Staaten veröffentlicht. Sie kamen zum Schluss, dass die US-​Amerikaner:innen zu viel Grundwasser aus dem Boden pumpen. Doch die USA sind kein Einzelfall. «Auch der Rest der Welt verschleudert das Grundwasser, als gäbe es kein Morgen mehr», sagt Hansjörg Seybold, Senior Scientist am Departement Umweltsystemwissenschaften der ETH Zürich. Er ist Mitautor einer Studie, die soeben in der Fachzeitschrift «Nature» erschienen ist.

Wissenschaftlicher Beleg für schnellen Schwund

Zusammen mit Forschenden der University of California Santa Barbara stützt er den besorgniserregenden Befund der Medienschaffenden. Nicht nur in Nordamerika wird viel zu viel Grundwasser hochgepumpt, sondern auch auf anderen Erdteilen, die der Mensch besiedelt. In einer beispiellosen Fleißarbeit haben die Forschenden Daten von über 170’000 Grundwassermessstellen und 1700 Grundwassersystemen der letzten 40 Jahre zusammengetragen und ausgewertet.

Die Welt hat ein Problem: Auf allen bewohnten Kontinenten markieren hell-​ bis dunkelrote Zonen respektive Säulen Grundwasservorkommen, deren Pegel gesunken ist. (Grafik: Scott Jasechko, UCSB)

Diese Messdaten zeigen: In den vergangenen Jahrzehnten hat der Mensch die Grundwasserentnahme weltweit massiv ausgebaut. Die Pegelstände der meisten grundwasserführenden Gesteinsschichten, sogenannte Aquifere, sind seit 1980 fast überall auf der Welt drastisch gesunken.

Abnahme hat sich beschleunigt

Seit 2000 hat sich die Abnahme der Grundwasservorräte sogar weiter beschleunigt. Besonders betroffen sind diejenigen in den Trockengebieten dieser Welt, wie in Kalifornien, den High Plains, Spanien, dem Iran oder in Australien.

«Dass die Grundwasserpegel weltweit stark gesunken sind, hat uns nicht überrascht, aber das sich Tempo, in den letzten zwei Jahrzehnten noch beschleunigt hat, hat uns schockiert», sagt Seybold.

Der Grund für das beschleunigte Absinken der Grundwasserspiegel in Trockengebieten ist laut Seybold unter anderem, dass die Menschen diese Gegenden intensiv landwirtschaftlich nutzen und dafür (zu) viel Grundwasser zur Bewässerung der Kulturen an die Oberfläche pumpen, wie etwa im Central Valley in Kalifornien.

Landwirtschaft und Klimawandel verschärfen Problem

Zudem wächst die Weltbevölkerung. Es muss mehr Nahrung produziert werden, wie etwa in den Trockengebieten des Iran. In diesem Land sind die Grundwasserreserven mit am stärksten gesunken. Aber auch der Klimawandel verschärft die Krise beim Grundwasser: In einigen Gebieten ist es in den vergangenen Jahrzehnten trockener und heißer geworden, landwirtschaftliche Kulturen müssen deshalb stärker bewässert werden. Fällt klimabedingt weniger Niederschlag, erholen sich die Grundwasservorkommen langsamer oder gar nicht.

Auch Starkniederschläge, wie sie im Zug des Klimawandels mancherorts häufiger auftreten, helfen nicht. Kommt das Wasser schwallartig, kann es der Boden oft nicht aufnehmen. Das Wasser fließt dann oberflächlich ab, ohne dass es ins Grundwasser versickert. Dies gilt insbesondere an Orten mit starker Bodenversiegelung wie in Großstädten.

Trendwende ist möglich

«Die Studie hat jedoch auch gute Nachrichten» sagt Co-​Autorin Debra Perrone. «In einigen Gebieten haben sich die Aquifere dann erholt, wenn die Politik Maßnahmen ergriffen hat oder wo alternative Wasserquellen entweder zur direkten Nutzung oder zur Regeneration der Grundwasserreserven verwendet werden können.»

Eines der positiven Beispiele ist der Genfer Grundwasserleiter. Dieser versorgt rund 700’000 Menschen des Kantons Genfs und des benachbarten französischen Departements Haut-​Savoie mit Trinkwasser. Zwischen 1960 und 1970 sank dessen Pegel drastisch, weil sowohl in der Schweiz als auch in Frankreich unkoordiniert Wasser abgepumpt wurde. Einige Brunnen versiegten und mussten geschlossen werden.

Um die gemeinsamen Wasservorräte zu erhalten, einigten sich Politik und Behörden beider Länder auf eine künstliche Zufuhr von Wasser aus dem Flüsschen Arve. Damit sollte erst der Grundwasserpegel stabilisiert, später angehoben werden. Das ist gelungen. «Den ursprünglichen Stand hat dieser Aquifer zwar nicht mehr erreicht, aber trotzdem zeigt dieses Beispiel: es muss nicht sein, dass Grundwasserspiegel nur sinken», betont Seybold.

Auch andere Länder reagieren

Auch in anderen Ländern mussten die Behörden handeln: In Spanien wurde eine große Pipeline gebaut, die Wasser aus den Pyrenäen nach Zentralspanien führt und dort den Los Arenales Aquifer speist. In Arizona wird Wasser aus dem Colorado River in andere Gewässer umgeleitet, damit sich die Grundwassereservoire wieder auffüllen – was allerdings dazu führt, dass das Delta des Colorado Rivers zeitweise trockenfällt.

«Solche Beispiele sind ein Lichtblick», sagt UCSB-​Forscher und Erstautor Scott Jasechko. Dennoch fordern er und seine Kollegen dringend mehr Massnahmen gegen die Erschöpfung der Grundwasservorräte. «Sind die Grundwasserleiter in Halbwüsten und Wüsten fast erschöpft, kann es Jahrhunderte dauern, bis sie sich erholen, weil es schlicht nicht genug Niederschläge gibt, um diese Aquifere schnell wieder aufzufüllen», sagt Jasechko.

An den Küsten droht eine weitere Gefahr. Sinkt der Grundwasserstand unter ein gewisses Maß, kann Meerwasser in den Aquifer eindringen. Dieses versalzt die Brunnen und macht das hochgepumpte Wasser sowohl als Trinkwasser als auch zur Bewässerung von Feldern unbrauchbar. Bäume, deren Wurzeln in den Grundwasserstrom reichen, sterben ab. An der Ostküste der USA sind deshalb schon heute ausgedehnte Geisterwälder (engl. «ghost forests») zu finden, in denen kein Baum mehr lebt.

«Wir können deshalb das Problem nicht auf die lange Bank schieben», betont Seybold. «Die Welt muss dringend handeln.»