Der Klimawandel zwingt die Gletscher auf Talfahrt

Blockgletscher, wie hier im Schweizer Wallis, sind Schutt-Eis-Gemische und typische Formen des alpinen Permafrostes, die langsam talwärts kriechen. Foto: Kellerer-Pirklbauer/Uni Graz

Ob in Sibirien, Alaska oder in den Alpen – steigende Temperaturen setzen dem Permafrost weltweit zu. Im Hochgebirge sieht man das unter anderem an den sogenannten Blockgletschern. Diese an Lavaströme erinnernden Formen sind ein Gemisch aus Schutt und Eis, das im Inneren das ganze Jahr über nicht auftaut. Sie kriechen langsam talwärts, wobei die Bewegungsraten vor allem mit thermischen Verhältnissen des Permafrostes in Zusammenhang stehen.

Eine internationale Studie belegt anhand langfristiger Beobachtungsdaten nun erstmals für den gesamten Alpenraum, dass die Blockgletscher-Geschwindigkeit, die seit den 1990er-Jahren insgesamt zugenommen hat, ein zuverlässiger Klima-Indikator ist. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich im Wissenschaftsjournal Environmental Research Letters veröffentlicht.

Aktiv kriechende Blockgletscher sind in den Alpen ab einer Seehöhe von etwa 2300 Metern zu finden. „Solange ihr Eisgehalt hoch genug ist, bewegen sich diese Permafrostformen talabwärts“, erklärt Andreas Kellerer-Pirklbauer vom Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz. Er ist Erstautor der aktuellen Publikation, an der unter anderem auch Kolleg:innen der Technischen Universität Graz, der Universität Innsbruck sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaftenbeteiligt sind.

Die Arbeit vergleicht Blockgletscher-Geschwindigkeiten im ganzen Alpenbogen. Und die steigen seit den 1990er-Jahren insgesamt, auch wenn es zwischendurch Phasen der Verlangsamung gibt.

„Höhere Temperaturen und mehr Bodenfeuchtigkeit beschleunigen die Bewegung der interessanten Schutt-Eis-Gemische. Wird es kälter, nimmt die Geschwindigkeit ab. Aber auch wenn der Eisgehalt unter eine bestimmte Grenze fällt und sich die innere Reibung erhöht, verlangsamt sich die Kriechrate. Schmilzt das Permafrosteis komplett ab, kommt die Landschaftsform zum Stillstand und wird zu einem Relikt einstiger Permafrostausdehnung“, führt Kellerer-Pirklbauer aus.

Für die Studie haben 23 Wissenschaftler Beobachtungsdaten aus Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz von 1995 bis 2022 herangezogen und sie verglichen. „Die Analyse ergab unter anderem, dass sich der westlichste und der östlichste der über 40 Blockgletscher, die von uns erfasst wurden, harmonisch zueinander bewegen. Das heißt, sie beschleunigen und verlangsamen sich zur gleichen Zeit in ähnlichem Maße, obwohl sie 570 Kilometer voneinander entfernt sind“, berichtet Kellerer-Pirklbauer ein bemerkenswertes Ergebnis.

„Das zeigt ganz klar: Ihre Geschwindigkeit ist klimatisch gesteuert. Somit liefert unsere Arbeit erstmals den Beleg dafür, dass die Blockgletscherbewegung einen Aspekt der ‚Essential Climate Variable‘ (ECV) Permafrost beschreibt und entscheidend zur Charakterisierung des Erdklimas beiträgt“, so der Forscher.

Die ECVs wurden durch das Global Climate Observing System (GCOS) definiert, um ein Bild des weltweiten Klimawandels zu liefern.

Die Studienautoren regen an, weitere Blockgletscher ins Langzeitmonitoring aufzunehmen. Diese Daten könnten zusätzlich wertvolle Informationen über die Auswirkungen der zu erwartenden Klimaentwicklung liefern.