KI hilft Katalysatoren schneller zu entwickeln

Dieser Roboterarm transferiert Glasfläschchen in eine Zentrifuge. Er ist Teil einer Robotereinheit, die Katalysatoren vollständig autonom nach den Vorgaben von Berechnungen eines AI-​Modells herstellt. ETH Zürich / Michel Büchel

Dank einer neuen automatisierten Forschungsinfrastruktur können Chemiker an der ETH Zürich Katalysatoren schneller entwickeln. Künstliche Intelligenz hilft ihnen dabei. Als erstes Demonstrationsprojekt suchten die Forschenden nach besseren Katalysatoren zur Herstellung von Methanol. Die neue Technologieplattform wird die Entwicklung anderer Katalysatoren ebenfalls beschleunigen.

Katalysatoren sind die fleißigen Heinzelmännchen der Chemiker. Sie beschleunigen Reaktionen und senken die Energie, die nötig ist, damit eine Reaktion ablaufen kann. Je spezifischer und wirksamer ein Katalysator ist, desto effektiver werden unerwünschte Nebenreaktionen unterdrückt. In der Natur sind es Enzyme, welche aus den schier unendlichen Reaktionsmöglichkeiten der Chemikaliensuppe in den Zellen ganz gezielt die benötigten Stoffwechselvorgänge heraus verstärken. In technischen Anlagen werden meist Metallkatalysatoren eingesetzt, um die Produktausbeute zu erhöhen.

Forschende der Technologieplattform Swiss Cat+ an der ETH Zürich unter der Leitung von Paco Laveille haben jetzt eine durchgängig digitalisierte und automatisierte Methode entwickelt, mit der sie massiv schneller als bisher neue und bessere Metallkatalysatoren finden können. Sie kombinierten dafür künstliche Intelligenz (KI) zur Berechnung von erfolgsversprechenden Katalysatorzusammensetzungen mit einem automatisierten Synthese-​ und Testlabor.

Mit dieser Infrastruktur gelang es ihnen, innerhalb von sechs Wochen rund 150 Katalysatoren für die Herstellung des Energieträgers Methanol aus CO2 zu entwickeln. Die neuen Katalysatoren sind kostengünstig und zeigen hohe Umwandlungsraten mit einem geringen Anteil an Nebenprodukten. «Der Zeitgewinn durch die neue Methode ist enorm», bilanziert Laveille. «Mit einem traditionellen Vorgehen hätten unsere Experimente viele Jahre gedauert.»

Methanol gilt als eines der Schlüsselelemente für eine nachhaltige Kohlenwasserstoffwirtschaft. Die chemisch eng mit dem Trinkalkohol Ethanol verwandte Substanz kann sowohl als Brennstoff als auch als Grundstoff für die Herstellung von organischen Verbindungen wie Medikamenten, Kunststoffen oder Farben genutzt werden.

Dabei lässt sich die Flüssigkeit im Gegensatz zu den beiden ebenfalls als Energieträger nutzbaren Gasen Wasserstoff und Methan viel einfacher transportieren und lagern. Zudem können die Versorgunginfrastruktur und die Motoren der bisherigen Benzintechnologie mit geringen Anpassungen mit Methanol weiterverwendet werden.

Möglichkeiten durch eine kluge Vorauswahl eingrenzen

Das große Problem bei der Suche nach optimalen Katalysatoren für die Herstellung von Methanol: Theoretisch gibt es praktisch unendlich viele Möglichkeiten, Atome zu einem Katalysator zu verbinden. «Der chemische Raum, in dem wir nach Katalysatoren suchen, umfasst etwa 1020 Möglichkeiten (hundert Milliarden Milliarden). Wir müssen also buchstäblich die Nadel im chemischen Heuhaufen finden», erklärt Christophe Copéret, Professor am Laboratorium für Anorganische Chemie der ETH Zürich und Mitinitiator des Swiss-​Cat+-​Projekts.

Um den riesigen Raum der Möglichkeiten einzugrenzen, trafen die Forschenden aufgrund von Erfahrungswerten und auch von wirtschaftlichen Vorgaben eine Vorauswahl. Ein grosstechnisch einsetzbarer Katalysator muss nämlich nicht nur wirksam, sondern auch günstig sein. Die Hauptkatalysatorwirkstoffe wurden deshalb auf die drei vergleichsweise billigen Metalle Eisen, Kupfer und Kobalt beschränkt.

Zu diesen Hauptmetallen kamen drei Elemente, die in Katalysatoren klassischerweise als sogenannte Dotierung in kleinen Mengen zugemischt werden, sowie Kalium, das ebenfalls in vielen Katalysatoren enthalten ist. Bei den Trägermaterialen beschränkten sich die Forschenden auf vier typische Metalloxide. Multipliziert mit unterschiedlichen Mischverhältnissen ergaben sich so immer noch 20 Millionen Kombinationsmöglichkeiten.

Mit KI-​gestützter Statistik und in iterativen Schritten

Nun kam ein KI-​Algorithmus ins Spiel, der mittels einer sogenannten bayesianischen Optimierung möglichst gute Lösungen sucht. Diese besondere Form der Statistik eignet sich vor allem dann, wenn nur wenige Daten zur Verfügung stehen. Dabei wird die Wahrscheinlichkeit nicht wie in der klassischen Statistik aus der relativen Häufigkeit abgeleitet, die aus vielen Experimenten berechnet wird. Es wird bei der Berechnung vielmehr von der Wahrscheinlichkeit ausgegangen, die aufgrund des bisherigen Kenntnisstandes erwartet werden kann.

In einer ersten Runde hat der Algorithmus anhand der zur Einschränkung der Komplexität getroffenen Vorgaben 24 Katalysatorzusammensetzungen zufällig ausgewählt. Diese wurden direkt in der automatisierten Laborinfrastruktur von Swiss Cat+ hergestellt und anschließend getestet.

Schnell viele Resultate mit hoher Verlässlichkeit

Die Ergebnisse dieser ersten Auswahl dienten den Forschenden als Ausgangspunkt für eine KI-​Prognose. Und auch deren vorhergesagten Zusammensetzungen wurden wieder automatisch synthetisiert und getestet. Insgesamt sechs derartige Runden haben die Wissenschaftler ihr integriertes System in diesem ersten Demonstrationsversuch absolvieren lassen.

Dass sich die Ergebnisse zwischen den Runden nicht linear, sondern sprunghaft verbesserten, war durchaus beabsichtigt. Der Algorithmus beinhaltet nämlich neben der Optimierung der Ergebnisse der Vorrunden auch eine erkundende Komponente, über die in jeder Runde völlig neue Versionen von Zusammensetzungen eingespeist wurden. So verhinderten die Forschenden, dass die Berechnungen in einer engen Optimierungssackgasse des großen Möglichkeitsraums stecken blieben.

Daten jenseits der Erdölchemie generieren

Für die Forschenden ging es in diesem ersten Projekt allerdings weniger darum, bereits den bestmöglichen Katalysator für die Methanolsynthese zu finden. «Das Wissen über Katalysatoren zur Herstellung von Brennstoffen beruht heute noch größtenteils auf dem Knowhow aus der Erdölindustrie», sagt ETH-​Professor Copéret. «Verlässliche Daten zu den Reaktionen der nachhaltigen Energiewirtschaft fehlen noch weitgehend.» Sie sind aber nötig, damit KI-​Algorithmen und menschliche Forscherintelligenz im riesigen Raum der chemischen Möglichkeiten gezielter suchen können. «Genau diese qualitativ hochstehenden und reproduzierbaren Daten liefert jetzt unser KI-​gestütztes Roboterlabor. Sie werden die ganze Katalysatorforschung ein gutes Stück voranbringen», ergänzt Laveille.